Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Gläubiger im Rahmen von Vergleichsgesprächen erklärt, dass er "grundsätzlich" mit einem Verzicht auf die Einrede der Verjährung einverstanden ist, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Verzichtsbereitschaft nur für den Fall des Vergleichsschlusses besteht.

2. Wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ein Altmassegläubiger die Aufnahme seiner Forderung in die Masseschuldliste erwirkt, ist die Verjährung der Masseverbindlichkeit anlog §§ 205, 206 BGB gehemmt.

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 30.05.2016; Aktenzeichen 2 O 298/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.12.2017; Aktenzeichen IX ZR 118/17)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 30.5.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Duisburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt EUR 29.702,07.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma E. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) Honoraransprüche als Masseverbindlichkeit geltend.

Der Beklagte wurde mit Beschluss vom 1.8.2003 (Anl. B1, GA 42-43) zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 24.9.2003 beauftragte er aufgrund eines Brandschadens die Anwaltssozietät S. und G., deren Rechtsnachfolger der Kläger ist, mit der Geltendmachung von Versicherungsansprüchen gegen die R Versicherung (Anl. K7, GA 109). Vereinbart war die Abrechnung nach der BRAGO. Der Kläger erbat nähere Angaben zur Schadenshöhe. Daraufhin übersandte ein Mitarbeiter des Beklagten mit E-Mail vom 2.10.2003 (Anlage B 10, GA 85-87) eine detaillierte Aufstellung, die mit einer Forderung in Höhe von EUR 6,3 Millionen endete. Dieser Betrag entfiel zu EUR 4,7 Mio. auf Schäden an Gebäuden und Maschinen und zu EUR 1,6 Mio. auf Betriebsunterbrechungsschäden. Die R Versicherung lehnte eine Zahlung wegen einer vermuteten Brandstiftung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin zunächst ab. Daraufhin erstellte der Kläger Entwürfe zur Vorbereitung von zwei selbstständigen Beweisverfahren, in denen er Streitwerte von EUR 2 Mio. (GA 208) bzw. EUR 1,5 Mio. (GA 214) angab.

Am 1.6.2004 zeigte der Beklagte dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an. Ende 2004 bat er den Kläger um Übersendung seiner Kostenrechnung, weil er das Mandat selbst weiterbearbeiten wollte. Am 8.2.2005 berechnete der Kläger der Insolvenzschuldnerin auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von EUR 6.300.000 insgesamt EUR 35.802,88 (Anl. K1, GA 16-17). Im Verlaufe dieses Rechtsstreits legte er mit Schriftsatz vom 30.12.2015 eine an den Beklagten als Insolvenzverwalter gerichtete Kostenrechnung gleichen Inhalts und Datums vor (Anlage K 12, GA 116-117). Mit Schreiben vom 21.2.2005 (Anl. K2, GA 18) teilte der Beklagte mit, dass er die Gebühren unmittelbar nach Zahlung der Versicherungsleistung zur Anweisung bringen werde. Unter dem 20.11.2006 mahnte der Kläger die Zahlung unter Fristsetzung an (Anlage K 10, GA 112-113). Am 4.12.2006 erwiderte der Beklagte, wies auf die Masseunzulänglichkeit hin und monierte den vom Kläger angesetzten Gegenstandswert (Anl. K3, GA 19-21). Im Übrigen erklärte er, er stehe nach wie vor dazu, "dass Sie für die von Ihnen entfalteten Tätigkeiten einen entsprechenden monetären Ausgleich erhalten," und bestätigte, dass die Kostenrechnung "in die so genannte Masseschuldtabelle aufgenommen wurde." Mit Schreiben vom 18.12.2007 forderte der seinerzeitige Bevollmächtigte des Klägers den Beklagten auf, einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (Anl. B4, GA 47-49). Hierauf reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 20.5.2008 (Anl. B5, GA 50 -53) und führte unter anderem aus:

"Unter Bezugnahme auf unser Gespräch vom 30.04.2008 darf der Unterzeichner nochmals darauf hinweisen, dass unser Mandant die von Ihrem Mandanten geltend gemachte Forderung selbstverständlich als Masseverbindlichkeit berücksichtigen wird, falls es nicht zu einer Einigung zwischen Ihnen und dem Unterzeichner kommt...

Zu dem zwischen ihnen und dem Unterzeichner bereits vorab besprochenen Vergleich teilen wir Ihnen auch mit, dass unser Mandant grundsätzlich damit einverstanden ist, dass für den Fall, dass unser Mandant verpflichtet wäre, die von der R Versicherung AG geleistete Abschlagszahlung zurückzufordern, auf mögliche Einreden der Verjährung zu verzichten.

In diesem Zusammenhang dürfen wir allerdings auch nochmals darauf hinweisen, dass wir allein aufgrund des von ihnen erwähnten Schreibens keine persönliche Haftung unseres Mandanten erkennen können, da die "Zahlungszusage" ausschließlich auf den Fall bezogen war, dass eine Versicherungsleistung durch die R Versicherung AG geleistet wird ...

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