Entscheidungsstichwort (Thema)

Erheblichkeitsschwelle für Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB; Arglistiges Verschweigen i.S.d. § 444 BGB; Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

  • Bei behebbaren Mängeln ist im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung im Sinne § 323 Abs. 5 S. 2 BGB in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt. Der Umstand, dass der Kaufgegenstand nicht ein neu erstelltes Objekt, sondern ein "gebrauchter Gegenstand" gewesen ist, bei dem die Erwartungen des Verkehrs an die Mangelfreiheit regelmäßig geringer sind, rechtfertigt für sich genommen nicht bereits die Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle auf 10 % des Kaufpreises.
  • Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers über einen Sachmangel, deren Verletzung in objektiver Hinsicht zu einem arglistigen Verschweigen i.S.d. § 444 BGB führen kann, besteht beim Verkauf eines Gebäudegrundstücks nur im Hinblick auf verborgene Mängel oder Umstände, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind. Arglistiges Verschweigen ist in subjektiver Hinsicht nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.
  • Auch die Lage eines Grundstücks in der Einflugschneise eines Flughafens und damit die besondere Betroffenheit von entsprechenden Fluglärmbelastungen kommt als Eigenschaft in Betracht, über das die Parteien des Kaufvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 treffen können.
  • Für die Annahme einer konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung genügt es, wenn der Käufer im Rahmen der Vertragsverhandlungen bestimmte Erwartungen an den Kaufgegenstand formuliert und der Verkäufer dem zustimmt.
 

Normenkette

BGB § 323 Abs. 5 S. 2, §§ 444, 434 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 24.04.2014; Aktenzeichen 1 O 228/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.4.2014 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichters - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung - wegen der Kosten - gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Beklagten Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A) Die Klägerin begehrt aus eigenem und abgetretenem Recht von den Beklagten Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagten waren Eigentümer eines in K., A.. d.. L.. 21, gelegenen 1 ½ geschossigen Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung, wobei nach den Planungsunterlagen in den siebziger Jahren der querstehende, mit einem Kellergeschoss versehene Anbau an ein älteres, nicht unterkellertes Einfamilienhaus angebaut worden sein soll. Die Beklagten sollen das Haus - nach ihren Angaben in einem dem Rechtstreit vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren - im Jahre 1994 bezogen haben. Der Standort des Hauses liegt rund 20 km vom Düsseldorfer Flughafen entfernt.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 6.4.2010 verkauften die Beklagten an die Klägerin und deren Ehemann (vormaliger Drittwiderbeklagter) den o.g. Grundbesitz für 312.500 EUR (Anlage K 1 Anlagenband). § 5 des beurkundeten Kaufvertrages enthält folgende Regelung:

"1. Der Kaufgegenstand wird übertragen in dem tatsächlichen Zustand, in welchem er sich heute befindet und der dem Käufer aufgrund Besichtigung bekannt ist. Ansprüche und Rechte des Käufers wegen sichtbarer oder unsichtbarer Sachmängel und wegen bestimmte Größe des Grundbesitzes sind ausgeschlossen; dies gilt auch für Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn der Verkäufer handelt vorsätzlich. Der Verkäufer versichert, dass ihm versteckte Mängel nicht bekannt sind."

Dem Verkauf war mehrere Besichtigungen des Objektes durch die Klägerin und ihren Ehemann vorausgegangen. Die Beklagten hatten einen Makler eingeschaltet, der ein Exposé erstellt hatte, wegen dessen Inhalt auf Anlage K 12 verwiesen wird.

Die Klägerin und ihr Ehemann leiteten gegen die Beklagten ein selbständiges Beweisverfahren ein, mit dem Ziel festzustellen, dass

  • im Badezimmer der Einliegerwohnung am Heizkreisverteiler starke Korrosion vorliege,
  • im Kellergeschoss sowie im Flur- und im Treppenhaus und in der Einliegerwohnung Feuchtigkeitserscheinungen auftreten,
  • im Obergeschoss de...

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