Entscheidungsstichwort (Thema)

Phonak II

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Monatsfrist, die § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB der Kartellbehörde für das fusionskontrollrechtliche Vorprüfverfahren zur Verfügung stellt, ist eine nicht verlängerbare gesetzliche Ausschlussfrist. Das BKartA kann sich eine längere Vorprüffrist nicht dadurch verschaffen, dass es den Zusammenschlussbeteiligten nahe legt, ihre Anmeldung zum Zwecke der "Fristverlängerung" zurückzunehmen und sie alsbald erneut einzureichen.

2. Die Mitteilung über die Einleitung des Hauptprüfverfahrens nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB ist formlos möglich. Sie erschöpft sich in der tatsächlichen Information an die anmeldenden Unternehmen, dass das angemeldete Fusionsvorhaben nicht binnen Monatsfrist durch Herbeiführen der gesetzlichen Freigabefiktion abgeschlossen werden kann, sondern auf seine kartellrechtliche Unbedenklichkeit näher untersucht werden soll. Ein auf den Eintritt in das Hauptprüfverfahren gerichteter Rechtsfolgenwille der Kartellbehörde ist nicht erforderlich.

3. Das in § 130 Abs. 2 GWB normierte Auswirkungsprinzip ist völkerrechtlich unbedenklich.

a) Dem berechtigten Interesse des ausländischen Veranlasserstaates, dass das nationale Kartellrecht nur bei relevanten Inlandsberührungen zur Anwendung kommt, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkung aufgrund konkreter Umstände geeignet sein muss, den inländischen freien Wettbewerb unmittelbar und spürbar zu beeinträchtigen.

b) Aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates (sog. Interventionsverbot) folgt die Notwendigkeit, die Interessen des handelnden Staates an der Durchsetzung seiner eigenen Rechtsordnung mit den gegenläufigen Interessen des negativ betroffenen Staates abzuwägen. Nur wenn danach gewichtige wettbewerbliche oder wettbewerbspolitische Belange des ausländischen Veranlasserstaates das berechtigte Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem Schutz seiner Wettbewerbsordnung deutlich überwiegen, hat die Anwendbarkeit der nationalen Fusionskontrolle jedenfalls in extremen Fällen zu unterbleiben.

c) Für die Geltung der nationalen Zusammenschlusskontrolle ist nicht erforderlich, dass sich der Schwerpunkt der Fusion im Inland befindet.

d) Die Totaluntersagung eines Auslandszusammenschlusses mit relevanten Inlandswirkungen ist nicht deshalb völkerrechtlich unzulässig, weil der Zusammenschluss unteilbar ist. Für die Frage der Teilbarkeit eines Zusammenschlusses kommt es maßgeblich darauf an, ob sich der den Inlandsbezug ergebende Sachverhalt sinnvoll ohne die Einbeziehung des Auslandssachverhalts regeln lässt. Dies ist nur dann der Fall, wenn die isolierte Untersagung des Inlandsteils genügt, um die Belange der inländischen Wettbewerbsordnung zu schützen, d.h. die fusionsbedingt zu erwartenden Verstärkungswirkungen auf ein kartellrechtlich unbedenkliches Maß zurückzuführen.

4. Wesentlicher Wettbewerb fehlt nicht schon dann, wenn auf einem Markt einzelne der zahlreichen denkbaren Wettbewerbsfaktoren nicht eingesetzt werden. Das gilt selbst beim Fehlen von Preiswettbewerb.

5. Ob wegen der Stilllegung eines oder einiger Wettbewerbsparameter wesentlicher Wettbewerb fehlt, richtet sich nach der Bedeutung der betreffenden Parameter aus der Sicht der Marktgegenseite.

 

Normenkette

GWB § 19 Abs. 1, 3 S. 2 Nr. 1, § 36 Abs. 1, § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 40 S. 4 Nr. 1, § 40 Abs. 3, § 130 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 11.04.2007; Aktenzeichen B3-33101-Fa-578/06))

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.04.2010; Aktenzeichen KVR 1/09)

 

Tenor

I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 5 gegen des Beschluss des BKartA vom 11.4.2007 (B3-33101-Fa-578/06) werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beteiligten zu 1 und 5 auferlegt. Zudem haben sie die dem BKartA entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Beschwerdewert: 30 Mio. EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 (folgend: Phonak) ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen. Sie beabsichtigte, von der Beteiligten zu 5 (folgend: GN Store) - einem dänischen Unternehmen - sämtliche Geschäftsanteile an den Beteiligten zu 2 bis zu 4 zu erwerben und hierdurch die Unternehmen der GN ReSound-Gruppe (folgend: GN ReSound) zu übernehmen. Sowohl Phonak als auch GN ReSound produzieren und vertreiben Hörgeräte. Forschung und Entwicklung sowie der Vertrieb der Geräte erfolgen in beiden Unternehmen - wie dies im Übrigen auch branchenüblich ist - weltweit. Dementsprechend liefern sowohl Phonak als auch GN ReSound ihre Hörgeräte u.a. nach Deutschland. GN ReSound erzielt dort weniger als 5 % (.....) seines weltweiten Hörgeräteumsatzes. Die zur Herstellung der Hörgeräte erforderlichen Betriebsstätten unterhält Phonak in der Schweiz, Kanada, China und Vietnam. GN ReSound verfügt über Produktionsstätten in den USA, Dänemark und China. Außerdem unterhält das Unternehmen seit 2005 über ihre Tochtergesellsch...

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