Leitsatz (amtlich)

1. Dass im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf dem angegriffenen Beschluss (hier des Grundbuchamts) das Datum der Übergabe an die Geschäftsstelle nicht vermerkt ist, hindert dessen Wirksamkeit nicht.

2. Eine auf Vorlage eines Erbscheins gerichtete Zwischenverfügung ist inhaltlich unzulässig, wenn der Beteiligte durch seine Ausführungen gegenüber dem Grundbuchamt ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben hat, dass er nicht gewillt ist, den vom Grundbuchamt geforderten Erbschein beizubringen; in diesen Fällen darf das Grundbuchamt die Zwischenverfügung nicht erlassen, sondern muss über den Eintragungsantrag entscheiden (Fortführung der ständigen Rechtsprechung des Senats, zuletzt in ZEV 2016, 707 m.N.).

3. Zur (hier vom Grundbuchamt vorzunehmenden) Auslegung des Inhalts eines gemeinschaftlichen notariellen Testaments und den hierbei zu beachtenden Gesichtspunkten (hier u.a.: auflösend bedingte Vollerben- und auflösend bedingte Vorerbenstellung mit Blick auf eine Wiederheiratsklausel und deren Nachweis im Falle bislang nicht erfolgter Wiederheirat; bei einer Pflichtteilsstrafklausel oder Verwirkungsklausel grundsätzlich durch Vorlage des Erbscheins zu erbringender Erbfolgenachweis, mit der Möglichkeit, von dem Vorlageerfordernis abzusehen, solange Pflichtteilsansprüche noch nicht geltend gemacht worden sind).

 

Normenkette

GBO § 18 Abs. 1, § 29; BGB § 2269

 

Verfahrensgang

AG Oberhausen (Beschluss vom 05.08.2016; Aktenzeichen OS 000)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Wert: 5.000,00 EUR

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin wendet sich nach einem Erbfall gegen eine Zwischenverfügung, mit welcher Bedenken gegen ihren Berichtigungsantrag aufgezeigt und sie zur Vorlage eines Erbscheines aufgefordert wurde.

Die Beteiligte und ihr Ehemann (im Folgenden: Erblasser) sind als Miteigentümer zu je ½ des auf Blatt...1 unter Nr. 2 (Flur... Flurstück...) verzeichneten Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen, der Erblasser zudem als alleiniger Eigentümer des auf Blatt...0 (Flur..., Flurstück...) verzeichneten Grundbesitzes.

Mit der Begründung, sie sei die alleinige Erbin ihres am 4.11.2015 verstorbenen Ehemannes geworden, hat die Beteiligte am 30.5.2016 beantragt, sie als alleinige Eigentümerin der Grundstücke einzutragen.

Die Eheleute hatten sich in einem notariellen Testament vom 5.4.2013 unter Ziff. II gegenseitig zum alleinigen Erben eingesetzt. Unter Ziff. III. hatten sie zu Schlusserben "für den Fall des Todes des übriggebliebenen Teils von uns oder für den Fall des gleichzeitigen Versterbens" ihre unter Ziff. I namentlich aufgeführten drei Kinder eingesetzt.

Unter Ziff. IV. wurde wegen des Grundbesitzes "im Wege der reinen Teilungsanordnung" das Recht zur nicht einvernehmlichen Auseinandersetzung für die Dauer von 15 Jahren nach dem Tode des Längstlebenden ausgeschlossen.

Unter Ziff. V. war eine Wiederverheiratungsklausel mit folgendem Inhalt enthalten:

"Wenn der Überlebende von uns wieder heiratet, behält er die Hälfte des Nachlasses als Vorerbe. Wegen des übrigen Nachlasses des Erstversterbenden tritt die Schlusserbfolge ein."

Unter Ziff. VI. wurde dem Längstlebenden das Recht eingeräumt, die Einsetzung der Kinder frei zu ändern.

In Ziff. VII. war unter der Überschrift "Pflichtteil" folgende Regelung enthalten:

"Wir wurden vom amtierenden Notar auf die derzeit noch geltenden gesetzlichen Pflichtteilsbestimmungen hingewiesen und bestimmen hierzu was folgt:

Sollten unsere Kinder beim Tode des erstversterbenden Elternteils gegenüber dem Überlebenden von uns gegen dessen Willen seinen Pflichtteilsanspruch durchsetzen, so soll jede zu seinem Gunsten in diesem Testament getroffene Verfügung unwirksam sein.

Das Kind soll auch dann beim Tode des zweitversterbenden Elternteils auf den Pflichtteil verwiesen werden.

Der dann verbleibende Erbteil soll den übrigen Erben zustehen."

Auf Anregung des Grundbuchamtes, die Erben eintragen zu lassen, hatte die Beteiligte mit Schreiben vom 30.5.2016 beantragt, sie als Erbin als alleinige Eigentümerin im Grundbuch einzutragen. Hierauf forderte das Grundbuchamt sie am 6.6.2016 und am 11.7.2016 erfolglos zur Vorlage eines Erbscheines auf. Nachdem die Beteiligte der Notwendigkeit zur Vorlage eines Erbscheines widersprochen hatte, erging am 5.8.2016 die angefochtene förmliche Zwischenverfügung, in welcher das Grundbuchamt die seiner Ansicht nach bestehenden Hindernisse aufzeigte. Zur Begründung führte es aus, die Erbfolge könne nur durch Vorlage eines Erbscheines nachgewiesen werden, da die Wiederverheiratungsklausel einen Fall der Vor- und Nacherbschaft enthalte. Da im Falle der Wiederheirat der Überlebende Vorerbe der Hälfte des Nachlasses werde, stehe erst mit dem Ableben der Beteiligten fest, ob die Bedingung eintrete, im Übrigen solle die Schlusserbenregelung eingreifen. Da im Testament nicht geregelt sei, wer Nacherbe sein solle, könne die Erbfolge nur durch Vorlage eines Erbscheines nachgewiesen werden.

Mit ihrer Beschwerde vom 12.8.2016 hat sich die Beteiligte auf ...

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