Entscheidungsstichwort (Thema)

Trennungsunterhalt; Unterhaltsbedarf; regelmäßig keine Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten bzw. Obliegenheit zur Ausweitung der Erwerbstätigkeit im Trennungsjahr; keine zeitliche Befristung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt in entsprechender Anwendung des § 1578 b BGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einen längere Zeit nicht oder nur geringfügig erwerbstätig gewesenen Ehegatten trifft regelmäßig im ersten Trennungsjahr keine Erwerbsobliegenheit bzw. Obliegenheit zur Ausweitung der Erwerbstätigkeit. Hiervon kann nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, wie z.B. eine sehr kurzes eheliches Zusammenleben, Kinderlosigkeit und noch geringes Lebensalter des bedürftigen Ehegatten, abgewichen werden.

2. Eine zeitliche Befristung des Anspruchs auf Trennungsunterhaltsanspruch kann nicht in entsprechender Anwendung des § 1578 b BGB, der die Herabsetzung und Befristung nur beim nach ihr Unterhalt aus Billigkeitsgründen regelt, erfolgen

 

Normenkette

BGB § 1361 Abs. 1, § 1578 b

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Beschluss vom 02.09.2020; Aktenzeichen 19 F 129/20)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 01.10.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 02.09.2020 - 19 F 129/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird mit Wirkung ab Antragstellung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin V. in Kleve Verfahrenskostenhilfe bewilligt,

- soweit sie mit dem Antrag zu 1) laufenden Unterhalt von monatlich 426 EUR bis einschließlich Oktober 2020 und von monatlich 317 EUR ab November 2020

- und mit dem Antrag zu 2) rückständigen Unterhalt in Höhe von 2.552,- EUR

begehrt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gerichtskosten werden wegen des nicht unerheblichen Teilerfolges der sofortigen Beschwerde nicht erhoben.

 

Gründe

I) Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ihr Begehren auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von laufendem Trennungsunterhalt in Höhe von 500,- EUR monatlich ab dem 01.06.2020 und von rückständigem Trennungsunterhalt für den Zeitraum von 11/19 bis 05/20 in Höhe von 3.500,- EUR (soweit in der Antragsschrift vom 4.5.2020 ein Betrag von 3.600 EUR genannt ist, handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler, da die Antragstellerin erkennbar für den genannten Zeitraum ebenfalls von einem monatlichen Unterhaltsbetrag i.H.v. 500 EUR ausgeht, so dass sich der genannte Betrag von (7 × 500 EUR =) 3.500 EUR ergibt).

Die Beteiligten schlossen am 4.10.2015 die Ehe, die kinderlos geblieben ist; nach dem Vorbringen der Antragstellerin erfolgte Ende Oktober 2019 die Trennung.

Die Antragstellerin ist während der Ehezeit als Raumpflegerin in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen tätig gewesen. Im Hinblick auf ihr Einkommen beruft sie sich darauf, sie habe in den Monaten November 2019 bis April 2020 einen durchschnittlichen Nettolohn i.H.v. 163,33 EUR erzielt. Seit dem 1.2.2020 bewohnt sie gemeinsam mit ihrem jetzigen Lebensgefährten eine Wohnung, wofür sie sich ein fiktives Versorgungsentgelt in Höhe von monatlich 350 EUR anrechnen lässt. Im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners trägt die Antragstellerin vor, dieser sei als Gesellschafter an der G... & V... GmbH & Co. KG beteiligt. Aus den Jahresabschlüssen dieser Gesellschaft für 2017 und 2018 seien Privatentnahmen in einer Höhe zu entnehmen, die nicht den steuerlichen Einkommen entsprächen, wie sie in den Steuerbescheiden des Antragsgegners aus den Jahren 2016-2018 zu entnehmen seien. Bei Heranziehung des Steuerbescheides für das Jahr 2017 ergebe sich ein monatliches Bruttoeinkommen des Antragsgegners von rund 2.300 EUR, wovon nach Abzug von Pflege- und Krankenversicherung i.H.v. 536,22 EUR noch 1.800 EUR netto verblieben, so dass sich nach der Quotenmethode ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin i.H.v. 575 EUR ergebe.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 2.9.2020 der Antragstellerin unter Zurückweisung ihres weitergehenden Begehrens Verfahrenskostenhilfe für die Geltendmachung laufenden Trennungsunterhalts i.H.v. monatlichen 317 EUR entsprechend dem Antrag zu 1) bis Dezember 2020 und rückständigen Unterhalts - entsprechend dem Antrag zu 2) - in Höhe von (7 × 302,28 EUR =) 2.116 EUR bewilligt. Wegen der Bedürftigkeit der Antragstellerin hat das Amtsgericht ausgeführt, die Antragstellerin habe nicht plausibel dargelegt, warum das Arbeitsverhältnis bei der Firma S... GmbH beendet worden sei ebenso wenig wie das Beschäftigungsverhältnis bei der Familie Hoppe, so dass von einem fiktiven Einkommen i.H.v. 200 EUR monatlich auszugehen sei. Ab 2/20 sei die Antragstellerin zur Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit verpflichtet gewesen, mit der Folge, dass ab diesem Zeitraum fiktive Einkünfte aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit anzusetzen seien. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die 49 Jahre alte und körperlich gesunde Antragstellerin keine gemeinsamen Kinder zu betreuen habe, die Ehedauer lediglich vier Jahre betragen habe und sie vor der Tren...

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