Leitsatz (amtlich)

1. Eine echte Wahlmöglichkeit, über die der Patient vor einer relativ indizierten Operation aufzuklären ist, stellt die konservative oder rein abwartende Behandlung nur dann dar, wenn begründete Aussicht besteht, dass hiermit mehr als nur eine kurzzeitige Beschwerdelinderung erreicht werden kann.

2. Im Rahmen der Risikoaufklärung ist nur über ein dem Eingriff anhaftendes spezifisches Risiko dauerhafter Lähmungen gesondert aufzuklären; lediglich vorübergehende Lähmungserscheinungen sind mit dem Hinweis auf "Nervverletzungen" ausreichend beschrieben. Erleidet der Patient nur eine vorübergehende Lähmung, kann er sich daher auch dann nicht auf eine unzureichende Risikoaufklärung berufen, wenn die gebotene Aufklärung über dauerhafte Lähmungserscheinungen unterblieben ist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 08.09.2017; Aktenzeichen 07 O 2686/13)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 08.09.2017 - Az. 7 O 2686/13 - wird auf ihre Kosten

zurückgewiesen.

II. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 63.429,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadenersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht für alle materiellen Schäden und immaterielle Zukunftsschäden wegen behaupteter Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit einer abdominalen Hysterektomie und einer im Anschluss daran aufgetretenen Femoralisschädigung.

Wegen des weiteren Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich eine Haftung der Beklagten weder auf eine fehlerhafte Aufklärung noch auf ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen stützen lasse. Zwar sei eine Aufklärung über das Risiko von Nervschäden nicht ordnungsgemäß erfolgt, jedoch sei von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen. Aus den Ausführungen der Sachverständigen ergebe sich, dass das Eintreten der Nervschädigung nicht auf einem behandlungsfehlerhaften Vorgehen der Beklagten beruhe. Auch das postoperative Behandlungsgeschehen sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Auffassung, es sei fehlerhaft, dass die Beklagte die Klägerin nicht über alternative konservative Behandlungsoptionen aufgeklärt habe. Auch habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass der von der Klägerin geschilderte Entscheidungskonflikt nicht plausibel sei. Da die Sachverständigen davon ausgegangen seien, dass die Femoralisschädigung durch die Operation eingetreten sei, müsse entweder einer der diskutierten Schädigungsmechanismen oder ein weiterer unbekannter Mechanismus vorliegen, so dass ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen der Beklagten nicht ohne weitere Beweisaufnahme hätte ausgeschlossen werden dürfen. Schließlich sei auch das postoperative Vorgehen zu beanstanden, da die Beklagte die Femoralisschädigung nicht erkannt und aufgrund eines orthopädischen Konsils ihre Beschwerden fehlerhaft auf ein "Radikulärsyndrom" zurückgeführt habe. Bei einer früheren Diagnostik nach dem medizinischen Standard unter Einbeziehung eines Neurologen und Einholung eines MRT wäre die Schädigung erkannt worden und hätte eine Behandlung erfolgen können.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 08.09.2017 abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen konkrete Bemessung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.429,98 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weitere materiellen und die zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr aus der fehlerhaften Behandlung im November 2012 entstanden sind und/oder noch entstehen werden; immaterielle Schäden dabei nur insoweit, als sie derzeit noch nicht konkret vorhersehbar sind; materielle Schäden, soweit die hierauf gerichteten Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.006,83 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vor...

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