Leitsatz (amtlich)

Ein Reisebüro, das als Handelsvertreter die Stornoabwehr für den Reiseveranstalter übernimmt, erbringt aufgrund seiner weisungsgebundenen Interessenwahrnehmungspflicht nach § 86 Abs. 1 Hs. 2 HGB nicht selbständig eine außergerichtliche Rechtsdienstleistung, so dass es hierfür nicht dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 3 RDG unterliegt.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 02 HK O 676/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15.10.2021, Az. 2 HK O 676/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 30.000 EUR

 

Gründe

A. Der Kläger, eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG, geht aus Wettbewerbsrecht gegen die Beklagte vor, die das Portal www...de zur Vermittlung von Flug- und Pauschalreisen betreibt.

Sie erhielt von einem Verbraucher am 21.08.2020 (Anlage K 2) folgende Anfrage zur kostenfreien Stornierung einer bei der ... GmbH gebuchten Pauschalreise für den Reisezeitraum 08.10. bis 22.10.2020 nach F...:

"Das Coronavirus hat uns immer noch fest im Griff. Da wir auch zu Risikogruppe (altersbedingt 72, 68) gehören, haben wir uns entschlossen, die Reise nicht anzutreten. Namhafte Politiker (Spahn, Söder usw.) raten deshalb, nicht notwendige Reisen zu unterlassen. Nach § 651h Abs. 3 BGB ist es ein unvermeidbares und außergewöhnliches Ereignis, das Urlaub, so wie wir ihn verstehen, nicht ermöglicht. Bitte prüfen Sie, ob die Reise aus diesem Grund kostenfrei storniert werden kann. Wir wären so gerne verreist, aber Sicherheit geht in diesem Falle vor. ..."

Auf diese Anfrage antwortete die Beklagte mit E-Mail vom 23.08.2020 (Anlage K 3) dem Verbraucher wie folgt:

"... mit Bedauern haben wir Ihre Anfrage zu einem kostenfreien Rücktritt erhalten. Im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus liegen seitens des Auswärtigen Amtes für Ihren Reisetermin aktuell keine Reisewarnungen vor. Seien Sie versichert, dass wir mit allen Reiseveranstaltern Im engen Austausch stehen und Sie schnellstmöglich ... kontaktieren, sobald uns Informationen zu Ihrer gebuchten Reise vorliegen. ... Bitte beachten Sie, dass alle Änderungswünsche Ihrerseits nur zu den AGB des Reiseveranstalters möglich sind. Als Kunde sind Sie berechtigt, gegen Entrichtung einer Rücktrittsgebühr vom Vertrag zurückzutreten. Die Höhe dieser Gebühr richtet sich nach dem Reisepreis Ihrer Buchung und ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Veranstalters '... GmbH' verankert. Die Rücktrittspauschale, die der Reiseveranstalter im Falle eines Rücktritts Ihrerseits fordert, beträgt aktuell am heutigen Tage 1.106,50 EUR. Bitte beachten Sie die Staffelung der Rücktrittsgebühren. Diese entnehmen Sie aus den AGB's Ihres Reiseveranstalters. Sollten wir bis zum 27.08.2020 11 Uhr keine Rückmeldung Ihrerseits erhalten haben, gehen wir davon aus, dass Sie Ihre Reise wie gebucht antreten möchten. ..."

Mit Urteil vom 15.10.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er sieht in der Auskunft der Beklagten auf die Anfrage nach einem kostenfreien Rücktritt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung. Das mittelbare Provisionsinteresse genüge nicht, um von einer eigenen Angelegenheit der Beklagten auszugehen. Die Auskunft der Beklagten sei zudem irreführend, weil sie den Eindruck erwecke, dass eine Reisewarnung durch das Auswärtige Amt Voraussetzung für einen kostenfreien Rücktritt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LG Leipzig (Az.: 02 HKO 676/21) im Kostenpunkt aufzuheben und wie folgt neu zu fassen:

I. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber einem Verbraucher, der die Beklagte in Bezug auf eine von der Beklagten vermittelte Pauschalreise um Prüfung gebeten hat, ob aufgrund der Coronapandemie-bedingten Einschränkungen eine kostenfreie Stornierung möglich sei (Anlage K 2), diesen Verbraucher darauf zu verweisen, dass mangels Reisewarnung durch das Auswärtige Amt Änderungswünsche zur Reise nur zu den Bedingungen der AGB des Reiseveranstalters möglich seien, deshalb für den Fall eines Rücktritts "Rücktrittsgebühren" in einer konkret bezeichneten Höhe anfallen würden,

wie geschehen in der E-Mail der Beklagten an den Verbraucher J... G..., ..., gemäß E-Mail vom 23.08.2020 (Anlage K 3).

II. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer I. genannte Verbot ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6...

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