Leitsatz (amtlich)

§ 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB (gesetzlicher Eintritt der Führungsaufsicht nach Erledigung der Maßregel) ist bei einer "von Anfang an" gegebenen Fehleinweisung in den Maßregelvollzug nicht anzuwenden.

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Entscheidung vom 03.12.2007; Aktenzeichen 1 StVK 13/07)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zwickau vom 03. Dezember 2007 aufgehoben - in Nr. 1 seiner Beschlussformel, soweit der gesetzliche Eintritt von Führungsaufsicht festgestellt worden ist, - in Nr. 2 und Nr. 3 der Beschlussformel.

  • 2.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Beschwerdeführer hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Zwickau hatte am 24. August 2004 die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil er bei Vorliegen einer "akuten wahnhaften Störung", mithin im Zustand der Schuldunfähigkeit, versucht hatte, das von ihm und seiner damals ortsabwesenden Mutter bewohnte Haus durch Herbeiführen einer Explosion zu zerstören und sich selber dabei zu töten.

Mit Beschluss vom 03. Dezember 2007 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zwickau die Maßregel für erledigt erklärt, weil durch zwei von der Kammer beigezogene unabhängige Sachverständige gutachterlich erwiesen sei, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bereits zum Einweisungszeitpunkt nicht vorgelegen haben. Auslöser der Verzweiflungstat war vielmehr die damalige besondere persönliche Situation des sehr stark sehbehinderten, fast erblindeten Beschwerdeführers gewesen. Eine Rückfallgefährdung oder Gefährlichkeit des Untergebrachten im Sinne der Kriminalprognose läge nicht - allenfalls in Richtung Provokation oder Querulanz - vor.

Mit ihrem Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer darüber hinaus ausgesprochen, dass mit der Erledigung der Maßregel kraft Gesetzes Führungsaufsicht eingetreten sei. Deren Dauer hat sie mit fünf Jahren bemessen, den Beschwerdeführer für diesen Zeitraum der Führung und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und die Führungsaufsicht im Weiteren konkret ausgestaltet.

Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Untergebrachte gegen die Feststellung des gesetzlichen Führungsaufsichtseintritts. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt,

das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

a)

Die Beschränkung der sofortigen Beschwerde allein auf die Frage des gesetzlichen Eintritts von Führungsaufsicht ist zulässig, weil diese Frage nicht in einer so engen gegenseitigen Abhängigkeit zur Maßregelerledigung steht, dass sich ein Angriff gegen die Feststellung des gesetzlichen Eintritts einer Führungsaufsicht nicht auch auf die Erledigungsfeststellung der Maßregel erstreckt.

b)

Die Feststellung des gesetzlichen Eintritts einer Führungsaufsicht und ihre inhaltliche Ausgestaltung einschließlich der Unterstellung unter einen Bewährungshelfer werden aufgehoben.

Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner in früheren Entscheidungen geäußerten Rechtsauffassung (vgl. Beschlüsse vom 29. Juni 2005 - 2 Ws 402/05 - und vom 03. August 2007 - 2 Ws 329/07 -) Abstand zu nehmen. Danach erfasst § 67 d Absatz 6 Satz 2 StGB in seiner Neufassung vom 23. Juli 2004 (BGBl. 2004 Teil I S. 1838) nicht die Fälle, in denen zweifelsfrei feststeht, dass schon die Anordnung der Unterbringung auf einer Fehldiagnose beruht (sogenannte Fehleinweisung aus tatsächlichen Gründen - abzugrenzen von der Fehleinweisung aufgrund einer fehlerhaften Rechtsanwendung; vgl. zur Unanwendbarkeit von § 67b d Abs. 6 StGB bei letzterer: BVerfG NStZ-RR 2007, 29 f.; OLG Frankfurt StV 2007, 430 f.). Diese Rechtsauffassung ergibt sich zum einen aus dem Sinn und Zweck der Führungsaufsicht als Maßregel der Besserung und Sicherung, zum anderen aus der der Neufassung zugrundeliegenden Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 02. April 2004 (BT-Drucksache 15/2887, S. 14 - zu Nr. 3 -).

Die neu geschaffene Regelung in § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB will lediglich den (und nach Auffassung des Senats nur diesen) von den Strafvollstreckungsgerichten bereits zuvor im Wege der Rechtsfortbildung und - im Wesentlichen - in analoger Anwendung des § 67 c Abs. 2 Satz 5 StGB entwickelten Rechtssatz übernehmen, wonach bei später festgestelltem anfänglichen Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB die Unterbringung erledigt ist und nicht weiter vollstreckt werden darf. In diesen Fällen der "Fehleinweisung von Anfang an" trat schon nach dem zuvor entwickelten Rechtssatz keine Führungsaufsicht ein. Daher kann bei Übernahme dieser Rechtsprechung in die Gesetzesfassung auch der zusätzlich neu geschaffene § 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB - Eintritt der Führungsaufsicht - nur die Fälle erfassen, in denen die tatsächlichen Voraussetzungen des § 63 StGB nachträglich weggefallen sind (zu weitgehend dahe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge