Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungswidrigkeit nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Festsetzung einer Geldbuße gegen die Verfahrensbeteiligte entfällt.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen sowie der Verfahrensbeteiligten darin erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes nach Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 AÜG, § 9 Abs. 1 OWiG zu einer Geldbuße von 1.000 DM verurteilt und gegen die Verfahrensbeteiligte (§ 30 OWiG) eine Geldbuße von 8.000 DM festgesetzt.

Nach den Feststellungen hat der Betroffene als Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Verfahrensbeteiligten in der Zeit vom 30. September bis 23. November 1987 der Firma … (im folgenden: Entleiherin) in wechselnder Besetzung insgesamt 16 Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt, die nach Anweisung und unter Aufsicht der Entleiherin von ihr im einzelnen bestimmte Arbeiten auf einer Baustelle ausführten, bezüglich deren die Entleiherin die Erstellung des Gewerkes „Elektroinstallationsarbeiten” übernommen hatte. Bei dieser Überlassung handelte es sich um eine einmalige Maßnahme, die der Überbrückung einer vorübergehend schlechten Auftragslage im Betrieb der Verfahrensbeteiligten diente und von der Entleiherin in Anspruch genommen wurde, weil sie mit dem von ihr zu erstellenden Werk mangels ausreichenden Personals in Zeitdruck geraten war. Die an die Verfahrensbeteiligte von der Entleiherin gezahlte auf der Grundlage von geleisteten Monteurstunden berechnete Vergütung lag etwas unter dem damals geschäftsüblichen Satz, ermöglichte es der Verfahrensbeteiligten jedoch, den anderenfalls durch Nichtbeschäftigung von mindestens 5 Arbeitnehmern eintretenden Verlust zu mindern.

Der Amtsrichter hat u.a. die Ansicht vertreten, der Betroffene habe für die Verfahrensbeteiligte, gewerbsmäßig im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 AÜG gehandelt. Er habe den Rahmen einer nur gelegentlichen entgeltlichen Überlassung überschritten, indem er mehrere Arbeitnehmer der Entleiherin je nach deren Bedarf überlassen und verliehene Arbeitnehmer zeitweise durch andere ersetzt habe. Damit liege ein wiederholtes Handeln vor, das die Annahme einer auf gewisse Dauer angelegten Überlassung rechtfertige. Nach dem Zweck des AÜG könne es nicht auf die Zahl der entlichenen Arbeitnehmer, die zeitliche Dichte der Verleihfälle oder die Verleihdauer ankommen.

Gegen dieses Urteil richten sich die zulässigen Rechtsbeschwerden des Betroffenen und der Verfahrensbeteiligten mit der Sachrüge.

Die Rechtsmittel haben Erfolg.

Die Urteilsfeststellungen tragen nicht den gegen den Betroffenen ergangenen Schuldspruch und rechtfertigen nicht die Verhängung einer Geldbuße gegen die Verfahrensbeteiligte; denn der festgestellte Sachverhalt erfüllt nicht das Merkmal „gewerbsmäßig” im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 AÜG.

I.1. Nach jetzt herrschender Auffassung ist „gewerbsmäßig” im Sinne des AÜG an Hand des gewerberechtlichen Begriffs der Gewerbsmäßigkeit abzugrenzen (BGH JR 1982, 260; BayObLG Beschluß vom 4.4.1989 – 3 Ob OWi 32/89 –; Sandmann-Marschall, Komm zum AÜG, Rn 28, 35 zu Art. 1 § 1; Becker/Wulfgramm, Komm zum AÜG, Rn 25 zu § 1; Erbs/Kohlhaas, AÜG, Anm. 9a zu § 1).

Dem schließt sich der Senat erneut an (vgl. Senatsbeschluß vom 11.3.1986 – 2 Ss OWi 17/86 –).

Danach ist gewerbsmäßig im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1

Nr. 1 AÜG jede auf eine gewisse Dauer und auf die Erzielung (auch mittelbarer) wirtschaftlicher Vorteile gerichtete Tätigkeit (BGH a.a.O.; BayObLG NJW 1980, 1861; OLG Karlsruhe NZA 1988, 616; Sandmann-Marschall, Rn. 35 zu § 1).

2. Der sich aus den Urteilsgründen ergebende Sachverhalt erfüllt die Voraussetzungen einer auf gewisse Dauer gerichteten (also nicht nur gelegentlichen) Arbeitnehmerüberlassung nicht.

a) Vom Wortsinn ausgehend setzt „auf gewisse Dauer gerichtet” die Absicht voraus, entweder eine gewisse Zeit anhaltend oder mehrfach zu handeln, wobei sich aus der beabsichtigten Wiederholung die Dauer ergibt.

aa) Der Tatrichter hat im vorliegenden Fall nur eine Arbeitnehmerüberlassung festgestellt; denn es ist auf den vom Amtsrichter für erwiesen erachteten unternehmerischen Entschluß des Betroffenen abzustellen, einmal für eine bestimmte (hier durch den Zeitpunkt der Fertigstellung des von der Entleiherin geschuldeten Werkes von vorn herein begrenzte) Zeit und für eine Baustelle der Entleiherin Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Daß betriebliche Notwendigkeiten auf seiten der Entleiherin zu dem Einsatz wechselnder Arbeitnehmer in unterschiedlicher Zahl geführt haben, beseitigt die Einmaligkeit des Vorganges nicht. Anderenfalls würde man zu dem nach Sinn und Zweck des AÜG (vgl. dazu nachfolgend 2d) nicht gerechtfertigten Ergebnis gelangen, daß z.B. die Überlassung eines Arbeitnehmers für die Dauer eines Monats als einmaliger Vorgang im erörterten Sinn zu werten wäre, die Überlassung mehrerer sich abwechselnder Arbeitnehmer...

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