Leitsatz (amtlich)

1. Dem Bürgen, der den Gläubiger befriedigt hat, stehen unter zwei unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten Rückgriffsansprüche zu, und zwar zum einen aus § 774 BGB und zum anderen als Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675, 670 BGB. Es handelt sich um zwei voneinander getrennte Ansprüche, zwischen denen der Bürge die Wahl hat. Macht der Bürge den Aufwendungsersatzanspruch geltend, kann der Schuldner dem Bürgen nur die Einwendungen aus dem Auftragsverhältnis entgegenhalten, nicht aber auch Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zum Gläubiger.

2. Während die Erfüllungsbürgschaft den Zeitraum bis zur Abnahme abdecken soll, erfasst die Gewährleistungsbürgschaft den Zeitraum ab Abnahme. Von der Erfüllungsbürgschaft werden aber nicht nur restliche Bauarbeiten, sondern auch nicht beseitigte Mängel erfasst, die bereits vor der Abnahme gerügt worden sind und für die dann Schadensersatz geltend gemacht wird.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Juni 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover in der Fassung seiner Ergänzungs- und Berichtigungsbeschlüsse wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Sie hat auch die Kosten des Streithelfers zu tragen.

Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin und des Streithelfers wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin bzw. der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für die Beklagte: über 20.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Streithelfer hatte die Beklagte im März 2013 mit der Planung und schlüsselfertigen Errichtung eines Mehrfamilienhauses in R., ..., zu einem Pauschalpreis von 1.151.660,00 EUR brutto beauftragt.

Mit Bürgschein vom 5. Juni 2014 verbürgte sich die Klägerin für die Beklagte dem Streithelfer gegenüber "für die vertragsgemäße Leistung/Bauarbeit bis zu einem Betrag von 60.000 EUR".

Während der Bauausführung kam es zu Streitigkeiten zwischen der Beklagten und dem Streithelfer. Auf der Grundlage ihres Nachtragsangebots vom 15. September 2014 beanspruchte die Beklagte von dem Streithelfer über den o.g. Pauschalpreis hinaus einen weiteren Betrag von 96.459,20 EUR brutto, was von dem Streithelfer abgelehnt wurde. Daraufhin stellte die Beklagte ihre Arbeiten ein. Der Streithelfer dagegen forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 21. April 2015 unter Fristsetzung zur Erledigung von Restarbeiten auf. Da die Beklagte dem nicht nachkam und sich zudem vermeintlich erhebliche Mängel zeigten, sprach der Streithelfer mit Anwaltsschreiben vom 5. Juni 2015 gegenüber der Beklagten die fristlose Kündigung des Werkvertrages aus wichtigem Grund aus.

Ebenfalls mit Schreiben vom 5. Juni 2015 nahm der Streithelfer die Klägerin aus der Bürgschaft in Anspruch. Dem schloss sich ein Schriftwechsel zwischen dem Streithelfer, der Klägerin und der Beklagten an. Mit Anwaltsschreiben vom 28. April 2016 forderte der Streithelfer die Klägerin unter Vorlage des Entwurfs einer Klageschrift nochmals zur Zahlung der Bürgschaftssumme von 60.000,00 EUR auf. Mit Schreiben vom 26. Mai 2016 forderte daraufhin die Klägerin die Beklagte unter Verweis auf § 9 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen letztmalig auf, die Ansprüche der Streithelferin durch geeignete Maßnahmen wie etwa die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abzuwenden. Da die Beklagte dem nicht nachkam, sondern mit Schreiben vom 1. Juni 2016 darauf verwies, dass ein Anspruch auf Auszahlung des Bürgschaftsbetrages an die Gegenseite nicht bestehe und dass es Sache der Gegenseite sei, die Richtigkeit seiner Ansprüche zu belegen, teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 3. Juni 2016 mit, dass sie ihre Rechtsausführungen nicht teile und die Kostenübernahme aus der Bürgschaft erklärt habe. Am 1. August 2016 zahlte die Klägerin dann den Bürgschaftsbetrag von 60.000 EUR an den Streithelfer aus, was sie der Beklagten mit Schreiben vom 2. August 2016 mitteilte.

Im hiesigen Verfahren nimmt die Klägerin die Beklagte auf Rückerstattung des aus der Bürgschaft ausgekehrten Betrages von 60.000 EUR zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 2.600 EUR in Anspruch.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Durch das am 26. Juni 2017 verkündete Urteil hat das Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Nach Ansicht des Landgerichts stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 60.000 EUR aus §§ 670, 675 BGB gegenüber der Beklagten zu. Denn die Klägerin habe eine Zahlung an den Streithelfer den Umständen nach für erforderlich halten müssen, nachdem die Beklagte keine liquiden Einwendungen gegenüber dem vom Streithelfer erhobenen Anspruch vorgebracht habe. Die Beauftragun...

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