Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft ist verpflichtet innerhalb der in § 64 Abs. 1 GmbHG normierten Frist den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen und nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG Masseschmälerung zu verhindern; er darf aber – zur Aufrecherhaltung des Geschäftsbetriebes – nach § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG bestimmte Leistungen (noch) erbringen, also etwa Zahlungen, die die Erfüllung von für die Gesellschaft vorteilhaften zweiseitigen Verträgen betreffen, die auch vom Insolvenzverwalter -vgl. § 103 InsO – erfüllt würden, die der Abwendung höherer Schäden aus einer sofortigen Betriebseinstellung dienen, da auch nach Eintritt der Insolvenz – aber vor einer Insolvenzverfahrenseröffnung – der Geschäfts- und Zahlungsverkehr aufrechterhalten werden muss und einer Entscheidung des Insolvenzverwalters – oder eines nach § 22 InsO eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters – nicht vorgegriffen und dessen Entscheidungsspielraum nicht eingeschränkt werden soll.

2. Da es aber ebenfalls zur Sorgfalt des Geschäftsführer als „ordentlichen Kaufmann” gehört, rechtzeitig – nämlich nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 GmbH – den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, können nur solche Zahlungen als nicht ersatzpflichtig nach § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG qualifiziert werden, die seitens der Gesellschaft auch bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrages (noch) geleistet worden wären; dafür wiederum ist entscheidend, wann ein voraussichtlich eingesetzter Insolvenzverwalter insb. die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen – z.B. die Kündigung von Mietverträgen nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO – hätte bewirken können.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 08.07.2003; Aktenzeichen 10 O 45/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG H. vom 8.7.2003 teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.669,38 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.12.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 69 %, der Beklagte trägt 31 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet; ihm steht ein Anspruch auf Erstattung der seitens der vom Beklagten geführten Gesellschaft an den Vermieter gezahlten Mietzinses für die Monate Juli 2000 bis September 2001 zu, mithin in einer Höhe von 15.000 DM (= 7.669,38 Euro).

1. Der Beklagte ist zur Erstattung der Mietzinszahlungen ab Juli 2000 gem. § 64 Abs. 2 GmbHG verpflichtet, da diese Zahlungen nach Feststellung der Überschuldung der Gesellschaft geleistet wurden (§ 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG) und auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren (§ 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG).

Die nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG maßgebliche Überschuldung der Gesellschaft ist zum Jahresende 1999 anzunehmen. Eine bereits früher vorliegende Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hat der Kläger nicht dargetan:

Konkreten Sachvortrag zu Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH bereits im Jahr 1998 hat der Kläger nicht gehalten. Er hat lediglich pauschal geltend gemacht, dass seit Anfang 1998 das Eigenkapital aufgezehrt gewesen sei, ohne dies anhand konkreter Zahlen zu belegen, sodass sein diesbezüglicher Vortrag, aus dem i.Ü. – allenfalls – ein Zustand der Gesellschaft am Rande der Unterbilanz, nicht jedoch der Überschuldung, abgeleitet werden könnte, zu unsubstantiiert ist. Gegen bereits im Jahr 1998 vorliegende Insolvenzeröffnungsgründe spricht zudem die Einschätzung des Klägers in dem von ihm selbst verfassten Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 27.2.2002, dass sich der genaue Zeitpunkt des Eintritts der Überschuldung nicht nachweisen lasse. Schließlich hat der Kläger in diesem Bericht auch ausgeführt, Zahlungsunfähigkeit liege seit Oktober 2001 vor.

Dieselbe Bewertung gilt für die Behauptung des Klägers, die Gesellschaft sei Ende 1998 überschuldet gewesen, woraus der Kläger die Schlussfolgerung zieht, der Beklagte habe Anfang 1999 den Insolvenzantrag stellen müssen. Präziser Sachvortrag zur Überschuldung der Gesellschaft und ihrer Höhe am 31.12.1998 hat der Kläger nicht gehalten; Bilanzen dazu hat der Kläger in erster Instanz nicht vorgelegt. Soweit der Kläger im Berufungsrechtszug mit Schriftsatz vom 13.10.2003 die Bilanz der Gesellschaft zum 31.12.1998 vorgelegt hat, kann dieser Sachvortrag nicht mehr berücksichtigt werden. Es kommt nicht darauf an, dass dem Kläger die Bilanzen erst durch den Steuerberater der Insolvenzgesellschaft, Herrn K., „vor zwei Wochen” zur Verfügung gestellt worden sind. Der Kläger hätte sich – anstatt im Verfahren erster Instanz lediglich pauschal zur Überschuldung im Jahr 1998 vorzutragen – diese Information frühzeitig besorgen können und müssen; die Bilanz für 1998 ist im September 1999 festgestellt worden. Der Berücksichtigung dieses Vortrags steht also § 531 ZPO en...

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