Leitsatz (amtlich)

Zum sog. sekundären Ersatzanspruch, namentlich zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt Anlass hat zu überprüfen, ob ihm ein Fehler unterlaufen ist, auf den er seinen Mandanten ggf. hinzuweisen hat.

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 10.07.2003; Aktenzeichen 4 O 107/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10.7.2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Stade abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verursachte mit seinem am 19.5.1995 zugelassenen Pkw am 30.6.1995 einen Verkehrsunfall, bei dem ein Motorradfahrer erheblich verletzt wurde.

Am 5.7.1995 beauftragte der Kläger den Beklagten, und zwar auch damit, Fragen des Versicherungsschutzes zu klären.

Die Frist zur Zahlung der Erstprämie ließ der Kläger, der behauptet hat, den Versicherungsschein mit der Zahlungsaufforderung nicht erhalten zu haben, verstreichen, sodass die …, von der er eine Doppelkarte erhalten hatte, den Versicherungsschutz mit Schreiben vom 16.10.1995 unter Hinweis auf die sechsmonatige Klagefrist versagte.

Den Klaganträgen hat das LG bis auf einen Betrag von 2.047,03 Euro stattgegeben und den Beklagten verurteilt, insgesamt 19.534,92 Euro an den Kläger zu zahlen. Mit Zugang des Schreibens der … vom 11.3.1996 sei für den Beklagten erkennbar gewesen, dass die Versicherung keine Deckung für den Unfall des Klägers leisten würde. Der Beklagte hätte sich nicht damit begnügen dürfen, dieses Schreiben an den Kläger weiterzuleiten. Die Bitte um „kurzfristige Rücksprache” sei nicht genügend gewesen. Dem Beklagten hätte sich die Bedeutung der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG aufdrängen müssen. Das Unterlassen von Nachfragen beim Kläger bzw. bei der … sei ihm als Pflichtverstoß anzulasten.

Die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Es habe für den Beklagten eine Hinweispflicht ggü. dem Kläger bestanden, auf einen sekundären Schadensersatzanspruch hinzuweisen. Diese Mitte des Jahres 1999 beginnende Verjährungsfrist sei durch die am 26.7.2001 zugestellte Streitverkündungsschrift in 13 O 4138/01 LG Hannover rechtzeitig unterbrochen worden.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Mit dieser wird geltend gemacht, Haftungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten seien verjährt. Die Primärverjährung sei im Juni 1999 abgelaufen. Die Streitverkündung aus dem Jahr 2001 habe schon deshalb nicht zu einer Unterbrechung der Primärverjährung führen können. Für einen Sekundäranspruch fehle es an einem Anlass für den Beklagten zu prüfen, ob er sich regresspflichtig gemacht habe. Der Anwaltsauftrag vom 14.9.1998 habe einen anderen Gegenstand gehabt.

Der Beklagte beantragt, unter teilweiser Abänderung des am 10.7.2003 verkündeten Urteils des LG Stade (4 O 107/02) (LG Stade, Urt. v. 10.7.2003 – 4 O 107/02) die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Schaden ggü. der … sei erst entstanden, als 2001 der Widerrufsvergleich in dem Rechtsstreit 13 O 4138/01 LG Hannover rechtskräftig geworden sei. Auch die in diesem Verfahren ggü. den Rechtsanwälten … pp. angefallenen Anwaltsgebühren seien nicht verjährt. Außerdem habe der Beklagte Anlass gehabt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob er den Kläger durch seine vorherige Tätigkeit geschädigt habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, die beigezogenen Akten, das angefochtene Urteil sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet; sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Klagabweisung.

Die Forderung des Klägers gegen den beklagten Rechtsanwalt ist verjährt.

1. Gemäß § 51b BRAO verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags. Die Entstehung des Anspruchs (§ 198 BGB a.F./§ 200 BGB n.F.) setzt die neuere Rspr. mit dem Eintritt des Schadens gleich (vgl. BGH v. 2.7.1992 – IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69 [73] = MDR 1992, 1088, für den Steuerberater; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., Rz. 626 ff.). Auf eine Kenntnis des Mandanten kommt es nicht an (BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 102/84, BGHZ 94, 380 [385] = MDR 1985, 843). Ein Schaden ist in diesem Sinne dann eingetreten, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt es, dass irgendeine Vermögenseinbuße entstanden ist, mag auch die Höhe noch nicht beziffert werden können (BGH v. 21.6.2001 – IX ZR 73/00, MDR 2001, 1381 = BGHReport 2001, 746 = WM 2001, 1677 [1679]). Ob die Vermögenseinbuße bestehen bleibt ist irrelevant (BGH v. 2.7.1992 –...

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