Leitsatz (amtlich)

1. Insolvenzgläubiger, die sich am Insolvenzplanverfahren nicht beteiligt haben, können ihre Forderungen auch nach Verfahrensaufhebung noch geltend machen (entgegen LAG Sachsen, Urt. v. 22.11.2007 - 1 Sa 364/03).

2. Der Schuldner hat, um ein Wiederaufleben der erlassenen Forderung zu verhindern, entweder die im Insolvenzplan festgesetzte Quote zu zahlen oder das Insolvenzgericht anzurufen, um eine Entscheidung nach § 256 InsO herbeizuführen.

 

Normenkette

InsO § 254 Abs. 1, § 255 Abs. 1, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen 2 O 351/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.05.2012; Aktenzeichen IX ZR 206/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.12.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hildesheim abgeändert.

Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 41.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2005 zur Insolvenzmasse zu zahlen.

Die Beklagten zu 1 und 2 werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 23.200 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2005 zur Insolvenzmasse zu zahlen.

Die Anschlussberufung des Beklagten zu 1 wird als unzulässig verworfen.

Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits erster Instanz und den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 36 % und der Beklagte zu 1 64 % allein. Im Übrigen tragen die Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Beklagte zu 1 hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der S. B. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche gegen die Beklagten geltend. Der Beklagte zu 1 war geschäftsführender Gesellschafter der Schuldnerin und Mitgesellschafter der Beklagten zu 2. Die Schuldnerin hatte mit der Beklagten zu 2 als Vermieterin einen Mietvertrag über in D. gelegene Betriebsräume geschlossen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen des LG sowie wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil vom 15.12.2010 Bezug genommen.

Durch dieses Urteil hat das LG die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 554,48 EUR und darüber hinaus den Beklagten zu 1 zur Zahlung weiterer 979,90 EUR sowie die Beklagte zu 2 zur Zahlung von 22.645,52 EUR verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO sowie nach § 133 InsO gegeben seien. Rechtshandlungen der Schuldnerin lägen sowohl innerhalb des 3-Monatszeitraums als auch im 10-Jahreszeitraum vor. Die Schuldnerin sei jedenfalls seit Anfang des Jahres 2005 zahlungsunfähig gewesen, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, auch nur 50 % der fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Die von der Schuldnerin im Zeitraum vom 7.2. bis zum 9.5.2005 an die Beklagte zu 2 erfolgten Pachtzahlungen von 23.200 EUR seien wie auch die am 20.4. und am 9.5.2005 an den Beklagten zu 1 gezahlten Beträge von 41.000 EUR in der Absicht erfolgt, andere Gläubiger zu benachteiligen. Von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht hätten die

Beklagten auch Kenntnis gehabt. Dies folge schon daraus, dass es sich bei dem Beklagten zu 1 um den Geschäftsführer der Schuldnerin gehandelt und dieser daher Kenntnis der die Zahlungsunfähigkeit begründenden Umstände gehabt habe. Diese Kenntnis ihres Mitgesellschafters, des Beklagten zu 1, sei der Beklagten zu 2 zuzurechnen.

Der Beklagte zu 1 habe an den Kläger aber insgesamt nur einen Betrag von 1.534,38 EUR zurückzuerstatten. Soweit in dem über das Vermögen des Beklagten zu 1 im Jahr 2007 eröffneten Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan aufgestellt worden sei, unterfalle die vom Kläger als "Nachzügler" geltend gemachte Forderung der Gruppe 3 des Plans. Forderungen der Gläubiger der Gruppe 3 seien nach den Regelungen des Insolvenzplans auf 2,39 % gekürzt worden. Als "Nachzügler" sei der Kläger auch nicht mit seinen Ansprüchen ausgeschlossen; eine Präklusion ergebe sich weder aus § 189 InsO noch aus §§ 254, 256 InsO. Eine Restschuldbefreiung komme im Insolvenzplanverfahren nicht in Betracht. Zu einem "Wiederaufleben" der über die Quote von 2,39 % hinausgehenden Forderung sei es nicht gekommen. Nachdem der Schuldner die im Insolvenzplan festgelegten Beträge an seine Gläubiger gezahlt habe, könne der mit dem Insolvenzplan bewirkte Erlass nicht mehr hinfällig werden.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens ausführt, dass in dem Insolvenzplan gerade keine Gruppe für nicht angemeldete Ford...

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