Entscheidungsstichwort (Thema)

Polizeigewahrsam, Gefahrenabwehr, Beschwerdebefugnis der Behörde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegen die Entscheidung des AG, dass die beendete Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Gefahrenabwehr rechtswidrig war (§ 19 Abs. 2 NdsGefG i.d.F. v. 20.2.1998, GVBl. Nds. 1998, 101), steht der beteiligten Behörde das Recht der sofortigen Beschwerde nach § 20 Abs. 1 FGG zu.

2. Will das Beschwerdegericht auf eine nicht mit einer Begründung versehene Beschwerde eines Beteiligten am Verfahren nach dem FGG die angefochtene Entscheidung abändern, so muss es dem Beschwerdegegner zu der beabsichtigten Entscheidung unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach bestehenden Aufhebungsgründe Gelegenheit zur Stellungnahme geben (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Versäumnis rechtfertigt eine Aufhebung jedoch nur, wenn die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 16.07.2004; Aktenzeichen 10 T 20/04)

AG Dannenberg (Beschluss vom 07.05.2004; Aktenzeichen 39-XIV 525/02)

 

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 16.7.2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller nahm in der Nacht vom 13. zum 14.11.2002 an einer Blockade zum Castortransport auf der L 256 in der Ortschaft L. teil. Er und die weiteren Demonstranten wurden, nachdem sie verschiedenen Aufforderungen zur Freimachung der Straße nicht nachgekommen waren, von Polizeibeamten von dort auf eine daneben liegende Wiese weggetragen und eingekesselt. Die Einkesselung des Antragstellers begann gegen 03:00 Uhr und endete nach Eintreffen des Castor Transportes im Zwischenlager gegen 07:25 Uhr.

Der Antragsteller hat am 13.12.2002 beantragt, die Rechtswidrigkeit seiner Ingewahrsamnahme festzustellen. Am 16.3.2004 hat das AG Termin zur Anhörung des Antragstellers auf den 3.5.2004 bestimmt (Bl. 105 R). Auf einen Anruf des Antragstellers vom 1.4.2004 hat der Amtsrichter diesem mitgeteilt, er müsse zu dem Anhörungstermin, mit dem ihm lediglich die Möglichkeit einer Anhörung eröffnet werden solle, nicht erscheinen. Bei dieser Gelegenheit hat er den Antragsteller befragt, darüber einen Vermerk gefertigt und den Anhörungstermin wegen des Verzichts des Antragstellers auf seine Anhörung aufgehoben (Bl. 109). Mit Beschluss vom 7.5.2004 hat das AG festgestellt, dass die Freiheitsentziehung des Antragstellers am 14.11.2001 in L. rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verbringung des Antragstellers von der Straße mit späterer Einkesselung an sich sei nicht zu beanstanden, da eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit habe abgewendet werden müssen (Gründe S. 2, 3). Die Art und Weise der Einkesselung habe jedoch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, der nur gewahrt sei, wenn menschenwürdige Voraussetzungen vorlägen. Dies vermöge das Gericht nicht zu erkennen (wird ausgeführt).

Gegen die Entscheidung hat die Beteiligte am 4.6.2004 sofortige Beschwerde beim AG eingelegt und angekündigt, eine Begründung werde nachgereicht (Bl. 127). Nach Übermittlung einer Abschrift der Beschwerdeschrift an den Betroffenen (Bl. 128 Ziff. 3) gab das AG das Verfahren am 11.6.2004 an das LG als Beschwerdegericht ab (Bl. 128). Mit Beschluss vom 16.7.2004 hat das LG Lüneburg über die Beschwerde der Beteiligten entschieden, die sie bis dahin nicht begründet hatte. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hat es den Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zurückgewiesen und gegen seine Entscheidung die weitere sofortige Beschwerde zugelassen (Bl. 129). Mit Schriftsatz vom 4.8.2004 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des LG durch seine nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte weitere sofortige Beschwerde eingelegt, mit den Anträgen, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass die Freiheitsentziehung des Antragstellers am 13.11.2002 und dessen Behandlung im Gewahrsam rechtswidrig gewesen seien.

II. Die nach § 19 Abs. 2 S. 4 NdsGefAG i.d.F. v. 20.2.1998 (GVBl. Nds. 1998, 101) zugelassene weitere sofortige Beschwerde des Antragstellers ist auch im Übrigen zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt (§ 19 Abs. 3 NdsGefAG i.V.m. § 7 NdsFGG, §§ 27, 29 FGG).

Sie ist indessen nicht begründet, obwohl das LG nicht frei von Verfahrensfehlern entschieden (§ 27 FGG) hat, weil die angefochtene Entscheidung darauf nicht beruhen kann.

1. Zu Unrecht reklamiert der Antragsteller allerdings, das LG habe die sofortige Beschwerde der Beteiligten gegen die antragsgemäße Feststellung des AG, die erlittene Freiheitsbeschränkung sei rechtswidrig gewesen, als unzulässig verwerfen müssen, weil die Beteiligte keine Beschwerdebefugnis gegen die dem Antrag stattgebende Entscheidung habe. Vielmehr hat das LG ein Beschwerderecht der beteiligten Behörde zu Recht angenommen.

Die Beteiligte ist durch die Entscheidung, mit ...

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