Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung des nicht erfüllten Anspruchs auf Kindesunterhalt als Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die insolvenzrechtliche Privilegierung der deliktischen Forderung gem. § 302 Nr. 1 InsO umfasst auch bei deren Durchsetzung entstandene Kosten und Auslagen (hier: Vollstreckungsversuche des titulierten Kindesunterhalts).

2. Im Rahmen des Verfahrens auf Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle lediglich mit dem Schuldnerwiderspruch gegen ihre deliktische Begründung bereits festgestellte Forderung auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht ('Attributsklage'), kann der Schuldner Einwendungen gegen Entstehung oder Bestand der Forderung selbst sowie gegen die Forderungszuständigkeit des Gläubigers nicht mehr erfolgreich geltend machen. Insofern ist er insbesondere auch mit den Einwendungen der Verwirkung (hier: wegen langer Rückstandszeiträume) oder des teilweisen Übergangs auf einen Sozialhilfeträger bzw. die UVG-Kasse ausgeschlossen.

3. Zur (bejahten) deliktischen Haftung des Unterhaltschuldners aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 170 StGB, der bei bestehender Unterhaltstitulierung eine selbständige Tätigkeit mit einer "Gewinnerwartung" von jährlich rund 12.000 EUR beginnt, obwohl er zuvor wie auch danach aus abhängiger Beschäftigung ein zur Leistung des titulierten Unterhalts ausreichendes Einkommen erzielen konnte, auch in diesen Zeiträumen den titulierten Unterhalt allerdings nicht oder nur teilweise geleistet hat.

 

Normenkette

InsO § 174 Abs. 2, § 302 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 2; StGB § 170

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 21.12.2012; Aktenzeichen 625 F 1336/12)

 

Tenor

Celle auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 21.12.2012 durch den Vorsitzenden Richter am OLG W. und die Richter am OLG G. und H. am 11.3.2013 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.Der Antragsteller ist der minderjährige Sohn des Antragsgegners aus dessen geschiedener Ehe mit der gesetzlichen Vertreterin des Antragstellers.

Der Kindesunterhalt des Antragstellers für die Zeit seit 1.2.2008 ist vom Antragsgegner in einer Jugendamtsurkunde vom 25.3.2008 [Bl. 5 d.A.] i.H.v. 110 % des Mindestunterhalts abzgl. des hälftigen Kindergeldes - damals monatlich 230 EUR - tituliert worden. Auf diesen titulierten Unterhalt hat der Antragsgegner jedoch nur in der Zeit bis August 2008 (teilweise) Leistungen an den Antragsteller zu Händen des zeitweilig mit der Beistandschaft betrauten Jugendamtes erbracht; wiederholte Vollstreckungsversuche des Antragstellers durch seine gesetzliche Vertreterin führten zu keinem weiteren Erfolg. Allein soweit das Land Niedersachsen in den Monaten Oktober 2008 bis Juni 2010 Unterhaltsvorschuss geleistet und insofern den Antragsgegner in Anspruch genommen hatte, hat dieser die entsprechenden Beträge für die Zeit von Oktober 2008 bis Februar 2010 an die Unterhaltsvorschusskasse erstattet.

Mit - rechtskräftigem - Urteil des AG Hannover vom 26.11.2008 ist der Antragsgegner unter Berücksichtigung des titulierten Kindesunterhaltes für den Antragsteller zusätzlich zu Trennungsunterhalt an seine gesetzliche Vertreterin in monatlicher Höhe von (zuletzt) 246 EUR verurteilt worden. Dabei hat das AG das monatliche Netto-Erwerbseinkommen bzw. das nach Berücksichtigung aller Verbindlichkeiten einschließlich des Kindesunterhalts verfügbare Einkommen des Antragsgegners wie folgt festgestellt:

  • für die Zeit bis Juni 2008: 2.330 EUR/1.366 EUR sowie
  • für die Zeit von Juli bis September 2008 (aufgrund Krankengeldbezuges): 1.897 EUR/1.246 EUR

Für die Zeit ab Oktober 2008 hatte der Antragsgegner Anspruch auf Arbeitslosengeld I, das unter Verwendung einer erhaltenen Abfindung für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von gut 2.800 EUR aufzustocken war. Mit am 27.7.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsgegner die Abänderung des titulierten Trennungsunterhalts ab Rechtshängigkeit begehrt; dazu hat er zum einen geltend gemacht, die bezogene Abfindung sei nunmehr verbraucht, und sich zum anderen auf Verwirkung des Unterhalts aufgrund einer neuen Partnerschaft der Kindesmutter berufen. Mit gerichtlichem Vergleich vom 16.12.2009 haben die Kindeseltern im Rahmen des Scheidungsverfahrens (AG Hannover 625 F 4376/08) vereinbart, dass mit Wirkung ab Oktober 2009 kein Trennungsunterhalt mehr zu leisten war. Nach der ebenfalls am 16.12.2009 erfolgten und sogleich rechtskräftig gewordenen Scheidung bestanden einvernehmlich auch keine nachehelichen Unterhaltsansprüche.

Das vom Antragsgegner im November 2009 eingereichte Gesuch um "Prozesskostenhilfe" für eine Vollstreckungsabwehr-"Klage" gegen die Titulierung des Kindesunterhalts im Rahmen der Jugendamtsurkunde im Hinblick auf die an die Unterhaltsvorschusskasse erfolgten Leistungen ist nach seiner ausdrücklichen Protokollerklärung im Scheidungstermin zurückgenommen worden.

Am 1.4.2010 hat der Ant...

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