Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO; hier: zur mittelbaren Bedeutung von Fragen zum Beweisthema für die Beurteilung des Tatverdachtes.

 

Normenkette

ZPO § 384 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 21.07.2015; Aktenzeichen 18 O 159/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen vom 12.8.2015 gegen das am 21.7.2015 verkündete Zwischenurteil der 18. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 1 zu 1 %, zu 2 zu 3 %, zu 3 zu 1 %, zu 4 zu 7 %, zu 5 zu 21 %, zu 6 zu 29 % und zu 7 zu 38 %.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen und der Beschwerdegegner streiten in dem vorliegenden Zwischenverfahren über die Berechtigung der Zeugnisverweigerung des Beschwerdegegners nach § 384 Nr. 2 ZPO.

In dem zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehren die Klägerinnen von der Beklagten Schadensersatz wegen einer vermeintlich unrichtigen Presseinformation vom 26.10.2008, die auf einen Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 20.10.2008 zurückging. In dieser Presseinformation teilte die Beklagte mit, zu beabsichtigten, ihre Beteiligung an der V. AG auf 75 % aufzustocken, während sie dies in der Vergangenheit noch in Abrede gestellt hatte. Die Klägerinnen behaupten, diese streitgegenständliche Presseinformation sei wider besseres Wissen erfolgt, um eine Marktpanik auszulösen.

Der Beschwerdegegner ist Mitglied des Aufsichtsrates der Beklagten. Die Staatsanwaltschaft S. hatte u.a. gegen ihn ein - zwischenzeitlich eingestelltes - Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes geführt, dass sämtliche damaligen Mitglieder des Aufsichtsrates der Beklagten Kenntnis von den vor der hier streitgegenständlichen Presseinformation vom 26.10.2008 erfolgten Dementis der Absicht der Beklagten zum Aufbau einer Beteiligung an der V. AG auf 75 % Kenntnis gehabt und nichts unternommen haben, um eine Einwirkung dieser - vor dem 26.10.2008 erfolgten - Erklärungen des Vorstandes auf den Börsenpreis der V.-Stammaktie zu verhindern und die zuvor veröffentlichten Erklärungen zu berichtigen.

Durch Beschluss vom 11.3.2015 hat das LG u.a. die Vernehmung des Beschwerdegegners zu dem Beweisthema angeordnet, ob die Mitglieder des Aufsichtsrates am Tag der Aufsichtsratssitzung vom 20.10.2008 Kenntnis davon hatten, dass aufgrund des Kursverlaufs der V.-Stammaktie und der nicht ausreichenden Liquidität eine Übernahme von 75 % der V.-Stammaktien im Laufe des Jahres 2009 nicht realistisch war. Der Beschwerdegegner hat - auch im Hinblick auf das vorgenannte Ermittlungsverfahren - gegenüber dem LG umfassend sein Zeugnis verweigert. Das Ermittlungsverfahren habe sich auch auf die Aufsichtsratssitzung vom 20.10.2008 erstreckt. Das Beweisthema und das Ermittlungsverfahren beträfen identische Fragenkreise zu den Kenntnissen der Aufsichtsratsmitglieder. Es seien keine sachdienlichen Fragen ersichtlich, deren Beantwortung den Zeugen nicht der Gefahr aussetzte, Auskünfte über Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude geben und damit zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst liefern zu müssen.

Das LG hat daraufhin den Beschwerdegegner abgeladen und auf Rüge der Klägerinnen mit dem angefochtenen Zwischenurteil die umfassende Zeugnisverweigerung des Beschwerdegegners für berechtigt erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowohl zwischen den Parteien des Hauptsacheverfahrens als auch zwischen den Klägerinnen und des Beschwerdegegners in dem Zwischenverfahren und der dort gestellten Anträge sowie wegen der Begründung des angefochtenen Zwischenurteils wird auf dieses Bezug genommen.

Mit der sofortigen Beschwerde verfolgen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Begehren in dem Zwischenstreit unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie beanstanden zum einen, dass eine Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat entgegen der Auffassung des LG nicht bestanden habe, weil sich das von der Staatsanwaltschaft S. geführte Ermittlungsverfahren nur auf Aufsichtsratssitzungen vor dem 20.10.2008 bezogen habe, mögliche Straftaten des Beschwerdegegners im Zusammenhang mit der letztgenannten Aufsichtsratssitzung - auch nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft S. - verjährt seien und die Staatsanwaltschaft auch das Ermittlungsverfahren in Bezug auf die vorangegangenen Aufsichtsratssitzungen zwischenzeitlich eingestellt hat. Sie beanstanden zum anderen insbesondere, dass der Beschwerdegegner jedenfalls nicht berechtigt sei, pauschal die Beantwortung jeder denkbaren Frage zu verweigern. Sie beantragen, unter Abänderung des Zwischenurteils des LG Hannover vom 21.7.2015 die umfassende Zeugnisverweigerung des Zeugen U. H. für unberechtigt zu erklären.

Der Beschwerdegegner beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Zwischenurteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien dieses Zwischens...

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