Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch der Prozesspartei auf Einsichtnahme in von Referendaren für das Gericht gefertigte Gutachten

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen die Versagung der Akteneinsicht gem. § 299 ZPO ist die sofortige Beschwerde statthaft.

 

Normenkette

ZPO § 299 Abs. 4, §§ 140, 567 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Beschluss vom 23.12.2011; Aktenzeichen 2 O 57/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 3.000 EUR.

 

Gründe

Der Senat legt die mit Schriftsatz der Klägerin vom 13.1.2012 erfolgte Eingabe als sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO aus. Denn sie ist als Rechtsmittel bezeichnet und verfolgt offenbar auch inhaltlich das Ziel, mit Hilfe des Beschwerdegerichts die vom LG abgelehnte Übersendung einer Ablichtung des Referendargutachtens zu erreichen.

Ob gegen ablehnende Entscheidungen der Gerichte betreffend Akenteinsichtsgesuche nach § 299 ZPO die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft ist, ist in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten. Ganz überwiegend wird allerdings der Standpunkt eingenommen, dass gegen die Versagung von Akteneinsicht die sofortige Beschwerde statthaft ist (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 299 Rz. 5; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 299 Rz. 69; Prütting, MüKo zur ZPO, 3. Aufl., § 299 Rz. 15; Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 299 Rz. 1; OLG Schleswig Rpfleger 1976, 108; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1454). Nach einer abweichenden Auffassung soll gegen Akteneinsicht versagende Entscheidungen eines Vorsitzenden oder anderen Mitglieds eines Kollegiums zunächst nach § 140 ZPO die Entscheidung des Kollegiums herbeizuführen und dann entweder schon gegen diese (so wohl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 299 Rz. 18) die sofortige Beschwerde eröffnet oder eine Anfechtbarkeit der Versagung erst zusammen mit der Endentscheidung (so BGH MDR 1973, 580) gegeben sein.

Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Akteneinsicht jedenfalls im vorliegenden Fall statthaft ist. Wie insbesondere das OLG Brandenburg, a.a.O., S 1455 mit Recht ausgeführt hat, ist § 140 ZPO auf Entscheidungen des Vorsitzenden innerhalb einer mündlichen Verhandlung zugeschnitten, die im Interesse der Fortführung des Verfahrens unverzüglich ergehen sollen. Dafür besteht hier kein Bedarf, weil das Akteneinsichtsgesuch der Klägerin nach der mündlichen Verhandlung schriftlich ergangen und beschieden worden ist. Außerdem greift der Gedanke des § 140 ZPO (und auch des § 576 ZPO) für den auch hier vorliegenden Fall, dass keine Entscheidung eines beauftragten Richters, sondern eines Einzelrichters vorliegt, deshalb nicht, weil der Einzelrichter bei voller Entscheidungsbefugnis ohne jede Beschränkung seines Geschäftsauftrags handelt. Schließlich entspricht die Eröffnung der sofortigen Beschwerde auch nicht nur besser den Erfordernissen praktischer Handhabung, sondern auch dem Gebot effektiven Rechtsschutzes.

Die hiernach statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Denn der Gesetzgeber hat in § 299 Abs. 4 ZPO bereits ausdrücklich geregelt, dass die zur Vorbereitung der Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen gelieferten Arbeiten sowie Dokumente, die Abstimmungen betreffen, weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt werden dürfen. Als zur Vorbereitung einer solchen Arbeit geliefert hat - neben den damit gewiss auch verfolgten Ausbildungszwecken - auch das hier in Rede stehende Gutachten zu gelten. Es ist jedenfalls ebenso wie beispielsweise das Votum eines Berichterstatters der Kammer oder des Senats ein intern der gerichtlichen Entscheidungsfindung dienender Beitrag und kein der Einsichtnahme der Parteien zugänglicher Aktenbestandteil. Die in der Beschwerdebegründung der Klägerin zitierte Fundstelle bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann besagt nichts Gegenteiliges. Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil angesichts der Unbegründetheit der Beschwerde der Frage ihrer Zulässigkeit keine entscheidungserhebliche Bedeutung (dazu vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., § 574 Rz. 13a) zukam.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts ist mangels anderer Anhaltspunkte gem. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO erfolgt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2902766

FamRZ 2012, 1241

MDR 2012, 428

ZD 2012, 234

PAK 2012, 61

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