Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers bei der Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 S. 1 Halbs. 1 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Der Testamentsvollstrecker, dem nach § 2209 S. 1, Halbs. 1 BGB lediglich die Verwaltung des Nachlasses ohne Zuweisung anderer Aufgaben übertragen wurde, ist im Zweifel befugt, über die Nachlassgegenstände zu verfügen

 

Normenkette

BGB §§ 2205, 2209 S. 1 Hs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 13.06.2012)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 21.5.2012 wird der Beschluss des AG Bremen - Grundbuchamt - vom 13.6.2012 aufgehoben und die Sache an das Grundbuchamt mit der Weisung zurückverwiesen, die Anträge des Notars [...] vom 22.2.2012 auf Löschung der Belastung in Abteilung II lfd. Nr. 2, Eintragung des Eigentumswechsels und Löschung der Eigentumsvormerkung in Abteilung II lfd. Nr. 3 nicht aus den Gründen der Beschlüsse des Grundbuchamtes vom 27.4.2012 und 13.6.2012 zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf EUR 3.000 (§§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO).

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist Testamentsvollstreckerin für den Nachlass der am 6.12.2009 verstorbenen S. Die Erblasserin hatte in § 4 ihres notariellen Testaments vom 14.11.2008 (UR-Nr. [...] des Notars X [...]) u.a. verfügt, dass sie für ihren Nachlass im Fall der Vorerbschaft "eine allgemeine Verwaltungsvollstreckung gem. §§ 2205 ff. BGB bis zum Eintritt des Nacherbfalls" anordne und "der Testamentsvollstrecker zu Verfügungen in jeder Hinsicht berechtigt" sei, soweit sich Grundbesitz im Nachlass befinde. In dem Testamentsvollstreckerzeugnis des AG G. vom 8.3.2010, durch das die Beschwerdeführerin zur Testamentsvollstreckerin bestellt wurde, heißt es u. a: "Verwaltungsvollstreckung gem. § 2209 S. 1, Halbs. 1 BGB ist angeordnet."

Mit notariellem Grundstückskaufvertrag des Notars W. vom 30.11.2011 (UR-Nr. [...]) verkaufte die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der Erblasserin das in dem Kaufvertrag näher bezeichnete Grundstück in der P.-Str. [...] in B. an Herrn O. und Frau M. zu je ½ Anteil.

Mit Schriftsatz vom 22.2.2012 beantragte der Notar unter Bezugnahme auf den Grundstückskaufvertrag vom 30.11.2011 beim Grundbuchamt die Löschung der Belastung in Abteilung II lfd. Nr. 2, die Eintragung des Eigentumswechsels und die Löschung der Eigentumsvormerkung in Abteilung II lfd. Nr. 3.

Durch Zwischenverfügung vom 27.4.2012 wies das Grundbuchamt den Notar darauf hin, dass der Eintragung gem. § 18 GBO Hindernisse entgegenstünden. Es fehle der Nachweis der Vertretungsmacht der Testamentsvollstreckerin, da das Testamentsvollstreckerzeugnis lediglich eine Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 Satz 1, Halbs. 1 BGB ausweise. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Testamentsvollstreckerin zu Verfügungen über Grundbesitz nicht befugt sei. Zur Beseitigung des Hindernisses wurde eine Frist bis zum 27.6.2012 gesetzt.

Unter dem 21.5.2012 legte die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 27.4.2012 ein. Sie ist der Auffassung, dass sie auch im Rahmen der Dauervollstreckung ohne Einschränkungen in der Verfügungsbefugnis zur Verfügung über den Nachlass berechtigt sei.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsauffassung die Sache dem Senat durch Beschluss vom 13.6.2012 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die nach §§ 71 Abs. 1, 73 GBO statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Beschwerdeführerin ist als Testamentsvollstreckerin für den Nachlass der Erblasserin zur Verfügung über das in Rede stehende Grundstück berechtigt.

Nach § 2205 BGB ist der Testamentsvollstrecker mit der ihm übertragenen Verwaltung des Nachlasses grundsätzlich auch zur Vornahme aller Handlungen als befugt anzusehen, die den Zwecken der Testamentsvollstreckung dienen und die ohne Einsetzung des Testamentsvollstreckers den Erben zukommen würden. Insbesondere ist der Testamentsvollstrecker nach § 2205 Satz 2 BGB berechtigt, den Nachlass in Besitz zu nehmen und über die Nachlassgegenstände zu verfügen. Das gilt auch im vorliegenden Fall, denn entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes enthält die Formulierung in dem Testamentsvollstreckerzeugnis vom 8.3.2010, dass "Verwaltungsvollstreckung gem. § 2209 S. 1, Halbs. 1 BGB" angeordnet ist, keine Beschränkung im Hinblick auf die Befugnis zur Veräußerung des in Rede stehenden Grundstücks.

Zwar beruht die Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 Satz 1, Halbs. 1 BGB, bei der dem Testamentsvollstrecker die bloße Verwaltung des Nachlasses ohne andere Aufgaben zugewiesen ist, formal auf einer Beschränkung der Testamentsvollstreckerbefugnisse. Diese Beschränkung erstreckt sich aber lediglich darauf, dass dem Testamentsvollstrecker bei der reinen Verwaltungsvollstreckung die Regelaufgaben nach §§ 2203 BGB (Ausführung der letztwilligen Verfügungen)...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge