Leitsatz (amtlich)

Ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen Ehegatten scheidet aus, wenn ein Unterhaltsanspruch eines Ehegatten dem Grunde nach besteht und Zahlungen des anderen auf die Gesamtschuld in einer Unterhaltsberechung Berücksichtigung finden müssen und sich im Ergebnis unterhaltsmindernd auswirken.

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Entscheidung vom 01.10.2007; Aktenzeichen 6 O 945/07)

 

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Bremen - 6. ZK. durch den Einzelrichter - vom 1.10.2007 wird dahin abgeändert, dass der Beklagten zur Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von RA [...] bewilligt wird.

Die gemäß § 115 ZPO zu zahlenden Raten werden auf EUR 75, beginnend ab 1.1.2008 festgesetzt.

 

Gründe

A.

Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 II BGB wegen der von ihm für das gemeinsame Haus der Parteien getragenen monatlichen Belastungen (Zins und Tilgung). Die Parteien sind Miteigentümer zu je 1/2 des Hausgrundstücks [...]. Auf zwei gemeinsam aufgenommene Darlehen bei der Sparkasse B. (Nr. [...]) zahlt der Kläger seit der Trennung der Parteien EUR 509,25 monatlich. Die Hälfte dieses Betrages = mtl. EUR 254,25 macht er geltend, und zwar für den Zeitraum von Juni 2005 bis Mai 2007. Seit dem 3.4.2007 ist die Ehe der Parteien rechtskräftig geschieden.

Die Beklagte, die das Haus seit der im Jahre 2004 stattgefundenen Trennung der Parteien allein nutzt, hat im Verfahren 153 F 310/05 - Familiengericht Bremerhaven - Trennungsunterhalt seit Juni 2004 verlangt. Für den hier interessierenden Zeitraum, d.h. den Zeitraum, für den der Kläger den Gesamtschuldnerausgleich verlangt, hat sie monatlich EUR 311 eingeklagt. Zu einer gerichtlichen Entscheidung ist es nicht gekommen. Denn die Beklagte hat die Klage zurückgenommen, nachdem über die Frage ihrer Erwerbsfähigkeit Beweis erhoben worden ist.

In diesem Verfahren vertritt die Beklagte die Ansicht, der Kläger könne einen Gesamtschuldnerausgleich mit Rücksicht darauf nicht verlangen, dass er Unterhalt nicht gezahlt habe. Sie habe die Unterhaltsklage nur deshalb zurückgenommen, weil sich angesichts eines ihr nach Ansicht des Familienrichters zuzurechnenden fiktiven Einkommens aus vollschichtiger Tätigkeit von EUR 1.000 wegen der vom Kläger getragenen Hauslasten und wegen der Berücksichtigung eines Wohnwerts bei ihr ein Unterhaltsanspruch rechnerisch nicht mehr ergeben habe. Die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten und der Nutzungsvorteil seien damit unterhaltsrechtlich erfasst. Hilfsweise rechnet die Beklagte mit Unterhaltsansprüchen für den fraglichen Zeitraum (Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt) in Höhe von mtl. EUR 226 auf.

Der Kläger macht geltend, der Gesamtschuldnerausgleich sei nicht ausgeschlossen und die Aufrechnung der Beklagten greife nicht, weil sie Unterhalt ohnehin nicht beanspruchen könne. Hilfsweise stützt er seine Klage auf die Geltendmachung einer monatlichen Nutzungsvergütung von EUR 300 (1/2 des objektiven Mietwertes).

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten mangels Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO abgelehnt. Hier sei keine "anderweitige" Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB gegeben. In der Unterhaltsfrage sei gerade keine Regelung zustande gekommen. Unterhaltsansprüche, mit denen die Beklagte aufrechnen könne, seien mangels Leistungsfähigkeit des Klägers auch dann nicht gegeben, wenn die Beklagte - rückwirkend - mit den hälftigen Darlehensraten belastet werde.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde.

B.

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Rechtsverteidigung der Beklagten bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO. Ein Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 II BGB kommt in der vorliegenden Fallkonstellation nicht in Betracht.

Nach § 426 I S.1 BGB ist der Gesamtschuldnerausgleich ausgeschlossen, wenn die Gesamtschuldner eine anderweitige Bestimmung getroffen haben. Eine solche anderweitige Bestimmung kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung, einer stillschweigenden Abrede, aus dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder aus der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (BGH FamRZ 1993, 676, 677; 2002, 1025). Trägt ein Ehegatte nach der Trennung gemeinsame Schulden allein ab und wird diese Gesamtschuld bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt, scheidet regelmäßig ein Gesamtschuldnerausgleich aus. Die Berücksichtigung der Gesamtschuld als eheprägende Verbindlichkeit auf Seiten des Pflichtigen führt zu einer Kürzung des Unterhalts des Berechtigten und damit zu einer mittelbaren Beteiligung an der Gesamtschuld. Entsprechendes gilt, wenn es der Berechtigte ist, der die Schuld allein abträgt. Haben die Parteien sich unter Berücksichtigung der Gesamtschuld auf eine Unterhaltsberechnung geeinigt oder ist der Abtrag im Urteil berücksichtigt worden, liegt darin regelmäßig eine anderweitige Bestimmung i.S.d. § 426 I S. 1 BGB, die Ausgleic...

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