Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung öffentlicher Äußerungen über die Kaufsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine unzutreffende öffentliche Äußerung über eine Beschaffenheit einer im Internet angebotenen Kaufsache ist nicht wirksam berichtigt, wenn die öffentlich geäußerte Beschaffenheitsangabe aus dem Internetangebot nur kommentarlos gelöscht wird. Die gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3, Halbsatz 2 BGB a.F. (§ 434 Abs. 3 Satz 3, Halbsatz 2 n.F.) erforderliche gleichwertige Weise der Berichtigung verlangt darüberhinausgehend einen ausdrücklichen Hinweis auf den vorherigen Irrtum.

2. Für einen gleichwertig berichtigenden ausdrücklichen Hinweis genügt es nicht, wenn der Verkäufer eines Oldtimer-Pkw dem Kaufinteressenten lediglich erklärt, es gebe keine "dokumentierte Historie" oder zur Existenz von "Schäden" könne er mangels Kenntnis "nichts sagen", wenn er im Übrigen die zuvor im Internetverkaufsinserat enthaltene unzutreffende Beschaffenheitsangabe "unfallfrei" lediglich kommentarlos entfernt hat.

3. Beim Verkauf eines Oldtimer-Pkw hat der Begriff der "fehlenden dokumentierten Historie" keinen gesicherten und allgemein anerkannten Bedeutungsgehalt; dieser hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab.

4. Eine normaler Weise zur erwartende "Lebens"-Gesamtlaufleistung ist bei Oldtimern gem. § 287 ZPO wegen des im Vergleich zu neueren Alltagsfahrzeugen noch nicht so weiternden technischen Fortschritts in der Regel mit 200000 km anzunehmen.

5. Ein in einem Kaufvertragsformular vorgedruckter Gewährleistungsausschluss, zu dem es weder Anhaltspunkte dafür gibt, dass er ernsthaft zur Disposition gestellt wurde, noch, dass die Kaufvertragsparteien die Beibehaltung des vorgedruckten Gewährleistungsausschlussentwurfs zuvor gründlich erörtert haben, ist nicht als ausgehandelt anzusehen, selbst wenn der schriftliche Kaufvertrag sonstige, andere handschriftliche Zusätze und Zusatzvereinbarungen enthält.

 

Normenkette

BGB §§ 280-281, 283-284, 305 Abs. 1 S. 3, § 309 Nr. 7, §§ 311a, 323 Abs. 1, §§ 346, 347 Abs. 2, §§ 348, 434 Abs. 1 S. 3 aF, Abs. 3 S. 3 nF, § 437 Nr. 2, §§ 440, 444, 476 Abs. 1; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 11.01.2021; Aktenzeichen 4 O 5123/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11.1.2021 - 4 O 5123/19 - abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.711,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.8.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Fiat 850 Coupé, Fahrgestellnummern ..., Motornummer ... zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte mit der Rücknahme des vorstehend bezeichneten Pkw seit dem 13.7.2019 im Annahmeverzug befindet.

3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 1.242,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.10.2019 zu zahlen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

III. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 23.711,22 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 11.11.2017 über einen Oldtimer-Pkw Fiat 850 Coupé, Erstzulassung 1969 (Kaufvertrag, Anlage K1 = Bd. I, Bl. 7 d.A.), sowie über Verwendungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Klägers.

Der Kläger begehrt Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs,

Wegen des Sach- und Streitstands I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2-4 = Bl. 187-189 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünden gegen den Beklagten weder Ansprüche aus Rücktritt gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 BGB (alle hier angegebenen §§ des BGB sind solche des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung) noch aus Bereicherungsrecht zu.

Der Anspruch aus dem erklärten Rücktritt scheitere an einem wirksamen Haftungsausschluss. Der Gewährleistungsausschluss sei nicht gem. § 476 Abs. 1 BGB unwirksam, da der Beklagte als Verbraucher gehandelt habe. Dafür spreche der mit "Privatkauf" überschriebene Kaufvertrag. Tatsachen, die ein Umgehungsgeschäft rechtfertigen würden, habe der Kläger nicht vorgetragen. Auch sei der Gewährleistungsausschluss nicht wegen § 309 Nr. 7 a oder b BGB unwirksam. Bei dem Haftungsausschluss handele es sich nicht um eine einseitig gestellte Klausel. Sie sei eine im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingung. Eine Arglist des Beklagten i.S.v. § 444 BGB habe der Kläger nicht bewiesen. Ob eine Garantie im Sinne von § 444 BGB durch die Internetannonce auf mobile.de, in der das Fahrzeug als "unfallfrei" beworben wurde, vorliege, könne dahinstehen. Aus der Beweisaufnahme folge, dass diese öffentliche Äußerung sich auf den Entschluss des Käufers,...

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