Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebrauchtwagenkauf: Grundsätze zum sog. "Montagsauto" nicht anwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Käufer eines sog. Jahreswagens ist die Grenze der Zumutbarkeit eines (jeweils) zweiten Nachbesserungsversuchs nicht schon deshalb erreicht, weil vor dem Auftreten der vom gerichtlichen Gutachter bestätigten Mängelbilder - im Abstand von wenigen Wochen - bereits mehrere Werkstattaufenthalte stattgefunden hatten, bei denen zum ganz überwiegenden Teil geringfügige Defekte bzw. ausgesprochene Bagatellmängel sowie rein verschleißbedingte Fehler behoben worden waren.

2. Die zum Sonderfall eines sog. Montagsautos entwickelten Bewertungskriterien können bei einem Gebrauchtwagenkauf auch im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 440 S. 1 BGB grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.

3. Die Erheblichkeitsschwelle i.S.d. §§ 281 Abs. 1 S. 3 und 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist deutlich höher anzusetzen als bei der strengen Bagatellgrenze des § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.

Dem Käufer eines sog. Gebrauchtwagens steht daher in der Regel weder ein Rücktrittsrecht noch ein Anspruch auf sog. großen Schadensersatz zu, wenn ausschließlich reparable technische Mängel und/oder geringfügige optische Beeinträchtigungen im Streit sind und der gesamte Nachbesserungsaufwand nicht wenigstens 10 % des Kaufpreises erreicht.

 

Normenkette

BGB § 281 Abs. 1 S. 3, Abs. 2, § 323 Abs. 5 S. 2, § 437 Nr. 3, § 440 S. 1 3. Alt.

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Urteil vom 05.10.2005; Aktenzeichen 22 O 586/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Bayreuth vom 5.10.2005 aufgehoben.

II. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in dieser Höhe geleistet hat.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

VI. Berufungsstreitwert: 21.084,46 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche auf sog. großen Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen geltend.

Der Kläger kaufte am 11.2.2003 bei der beklagten GmbH, die einen Neu- und Gebrauchtwagenhandel sowie eine Werkstatt betreibt, für seine private Nutzung einen Jahreswagen Nissan Primera zum Preis von 21.900 EUR. Das Fahrzeug, dessen Vorbesitzerin die Beklagte selbst war, wurde dem Kläger am 13.2.2003 mit einem Kilometerstand von 12.600 km übergeben. In dem Kaufvertragsformular befindet sich oberhalb der Unterschriftsleiste der folgende - kleingedruckte - Text:

"In Kenntnis und Einverständnis mit dem ausgehändigten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen oder gebrauchten Fahrzeugen."

Unterhalb der Unterschriftsleiste steht in Kleindruck:

"Eine Durchschrift dieser Besteuerung sowie die Geschäftsbedingungen wurden mir ausgehändigt!!" (vgl. Anlage K 1).

Nach Abschnitt VI. Sachmängel unter Ziff. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Verkauf von Gebrauchtwagen unterliegen Gewährleistungsansprüche der Käuferseite einer Frist von einem Jahr ab Übergabe (Anlage B 1). Ob dem Kläger im Rahmen des Vertragsschlusses auch eine Ablichtung der AGB der Beklagten übergeben wurde, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Jedenfalls unterzeichnete der Kläger bei der Übergabe(inspektion) des Fahrzeugs das als Anlage B 2 vorliegende Bestätigungsformular, in dem es auszugsweise heißt: "Ich wurde über die Garantie/Gewährleistungsbedingungen ... informiert."

Zwischen Mitte März und Mitte November 2003 befand sich das Fahrzeug insgesamt sieben Mal in der Werkstatt der Beklagten. Bei diesen Terminen wurden jedenfalls folgende Arbeiten an dem Pkw durchgeführt:

  • Erneuerung der Mittelkonsole, der Verkleidung der Heckklappe außen sowie der Türgriffmulde vorne links,
  • Auswechslung des sog. Kombiinstruments, der Dekorbeschichtung des Schaltknaufes, des Displays des Navigationssystems, der Freisprecheinrichtung sowie der Lehnenpolsterung des Fahrersitzes,
  • Einbau eines zusätzlichen Mikrophons an der A-Säule zur Verbesserung der Funktionen der Freisprechanlage sowie Einbau einer "geänderten Schaltkulisse bzw. geänderter Schaltzüge",
  • Befestigung der Rückfahrkamera

Bei jedem dieser Werkstatttermine stand dem Kläger jeweils ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung.

Im Vorfeld eines für den 22. oder 29.1.2004 vorgesehenen weiteren Werkstatttermins ließ der Kläger mit Schreiben seiner jetzigen Bevollmächtigten vom 20.1.2004 mitteilen, "der kommende Nachbesserungsversuch" sei für die Beklagte die "letzte Gelegenheit, das Fahrzeug in einen mangelfreien Zustand zu versetzen" (Anlage K 3). Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 21.1.2004, der Werkstatttermin könne wie vorgesehen durchgeführt werden, jedoch werde dieses Mal kein Ersatzwagen mehr gestellt (Anlage K 4). Hierauf schaltete der Kläger ein Ingenieurbüro ein. Auf der Grundlage des Unters...

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