Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 20 I FZV ist eine sog. Fernzulassung, d.h. die Zulassung eines im Inland befindlichen Fahrzeugs durch eine zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zur Ausfuhr des Fahrzeugs grundsätzlich zulässig (Festhaltung an OLG Bamberg, Urt. v. 25.09.2007 - 2 Ss 1/07 = zfs 2007, 704 ff. = VRR 2008, 72 f. = SVR 2008 227 ff.).

2. Für die Zulässigkeit einer sog. Fernzulassung zur Ausfuhr des Fahrzeugs nach § 20 I FZV kommt es weder darauf an, ob sich das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Zulassung im Inland oder im Ausland befindet, noch darauf, ob für das Fahrzeug zu einem früheren Zeitpunkt einmal ein regelmäßiger Standort im Inland begründet war. § 20 I FZV lässt sich deshalb weder eine Beschränkung auf Transitfälle noch auf Einfuhrfälle entnehmen. Die Bestimmung erfasst bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen vielmehr alle Fälle, in denen ein Fahrzeug, ohne dass für dieses Fahrzeug ein regelmäßiger Standort im Inland begründet ist, vorübergehend am Straßenverkehr im Inland teilnimmt.

3. Bei einem sich im Inland befindlichen, jedoch zur Ausfuhr bestimmten Fahrzeug liegt spätestens mit Beginn der Ausfuhr auch nach objektiven Kriterien der Schwerpunkt der Ruhevorgänge ebenso wenig im Inland wie bei einem Fahrzeug, das von einem anderen EU-/EWR-Land aus das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Zweck der Ausfuhr in ein anderes Mitgliedsland durchquert. In beiden Fällen ist während der nur vorübergehenden Teilnahme am Verkehr im Inland kein regelmäßiger Standort im Inland begründet.

 

Normenkette

FZV § 3 Abs. 1, §§ 16, 19, 20 Abs. 1 S. 1, § 48; IntKfzV a.F. § 1

 

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Das AG hat den Betr. am 17.10.2011 schuldig gesprochen, fahrlässig ein Fahrzeug in Betrieb gesetzt zu haben, obwohl es nicht zum Verkehr zugelassen war und deshalb gegen ihn eine Geldbuße von 50 € festgesetzt. Nach den Feststellungen wurde der Betr. am 11.02.2011 um 21.30 Uhr als Führer eines Kraftomnibusses mit amtlichem österreichischen Händlerkennzeichen auf öffentlichem Verkehrsgrund in N. (Bayern) in der G.-Straße angetroffen. Der Betr. war zuvor mit dem Fahrzeug von München nach N. gefahren. Das Fahrzeug wurde in München abgeholt und sollte nach Polen überführt werden. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr., deren Zulassung er beantragt, führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an das AG.

 

Entscheidungsgründe

Die nach Zulassung zur Fortbildung des Rechts durch Beschluss des Einzelrichters vom 21. 3. 2012 statthafte (§ 79 I 2 OWiG) sowie form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde erweist sich mit der Sachrüge als zumindest vorläufig erfolgreich und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das AG. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Feststellungen des AG einen Verstoß gegen §§ 48, 3 I, 20 I FZV nicht tragen.

1.

Das AG hat weder die Bedeutung des am 1. 3. 2007 in Kraft getretenen § 20 I FZV in Abgrenzung zu dem bis 28. 2. 2007 geltenden § 1 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntKfzV) erkannt, noch die hierzu mittlerweile ergangene obergerichtliche Rechtsprechung berücksichtigt und infolgedessen auch keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen des § 20 I FZV vorliegend erfüllt waren und deshalb das Anbringen des österreichischen Händlerkennzeichens nicht zu beanstanden war.

a)

Nach § 1 IntKfzV galten "ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger" zum vorübergehenden Verkehr im Inland zugelassen, wenn für sie von einer zuständigen Stelle ein gültiger internationaler oder ausländischer Zulassungsschein ausgestellt und im Inland kein regelmäßiger Standort begründet war. Unter dem Geltungsbereich dieser Vorschrift hat das BayObLG (Beschl. v. 11. 3. 2004 - 1 ObOWi 427/03 = BayObLGSt 2004, 29 ff. = NStZ-RR 2004, 182 f. = DAR 2004, 403 ff. = VerkMitt. 2004, Nr. 72) entschieden, dass das Inbetriebsetzen eines Kraftfahrzeugs, an dem in der Bundesrepublik Deutschland im Wege der sog. Fernzulassung österreichische Überführungs- und Probekennzeichen angebracht worden sind, auf öffentlichen Straßen in der Bundesrepublik Deutschland gegen § 18 I, 69 a II Nr. 3 StVZO a.F. verstößt (vgl. für die im Wege der Fernzulassung angebrachte italienische Überführungs- und Probekennzeichen auch BayObLG, Urt. vom 22. 3. 2004 - 1 St RR 135/03 = VRS 107, 45 und EuGH, Urt. v. 2. 10. 2003 - C -12/02 = DAR 2004, 213). Zur Begründung hat das BayObLG im Wesentlichen darauf abgestellt, dass § 1 IntKfzV eine Fernzulassung nicht gestatte, weil in § 1 IntKfzV von "ausländischen Kraftfahrzeugen" die Rede sei. In Abgrenzung hierzu hat der Senat entschieden, dass ein Fahrzeug, das nach Fernzulassung mit gültigen österreichischen Zulassungsdokumenten und amtlichen österreichischen Überführungskennzeichen in Belgien in den Verkehr gebracht worden ist, um es in einen weiteren ...

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