Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen, um vom Ausgleich der erworbenen Anrechte nach § 27 VersAusglG abzusehen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine bewusste und in Schädigungsabsicht vorgenommene Verkürzung der erworbenen und im Versorgungsausgleich auszugleichenden Anrechte durch einen Ehegatten zum Nachteil des anderen Ehegatten kann eine grobe Unbilligkeit im Sinn des § 27 VersAusglG darstellen.

2. Ein solcher Sachverhalt ist erkennbar nicht gegeben, wenn auszuschließen ist, dass der Ehegatte die Straftaten (zumindest auch) beging, um den anderen Ehegatten in irgendeiner Form - der Versorgungsausgleich war zu jener Zeit kein Thema - zu benachteiligen.

 

Normenkette

VersAusglG § 27

 

Verfahrensgang

AG Würzburg (Aktenzeichen 3 F 609/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Würzburg vom 20.04.2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.020 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht - Familiengericht - Würzburg hat mit Endbeschluss vom 20.04.2022 die Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Auf Seiten des Antragsgegners wurde neben einem Anrecht aus einem privaten Altersvorsorgevertrag ein Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund geteilt. Der Antragsgegner war zwar ab November 1984 als Beamter des gehobenen Dienstes beim ... Würzburg tätig. Allerdings hatte er dort jahrelang systematisch Akten und Aktenteile der dienstlichen Verfügung entzogen und diese verbotswidrig in seinem Wohnhaus oder einem abgeschlossenen Schrank in seinem Büro versteckt. Im Oktober 2010 wurde er deswegen vorläufig des Dienstes enthoben. Im Dezember 2013 wurde er schließlich unter anderem wegen 40 Fällen des Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Untreue in einem besonders schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten mit Bewährung verurteilt. In der Folgezeit wurde er aus dem Beamtenverhältnis entlassen und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert.

Bezüglich des Antrags der Antragstellerin, im Hinblick auf diese Geschehnisse von einem Ausgleich der erworbenen Anrechte nach § 27 VersAusglG abzusehen, führte das Familiengericht im Rahmen der Begründung unter anderem aus:

Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin ist das gefundene Ergebnis nicht über § 27 VersAusglG zu korrigieren. Für den vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs liegen keine hinreichenden Gründe vor. In Fällen der schuldhaften Verkürzung eigener Versorgungsanwartschaften ist regelmäßig ein im Hinblick auf den anderen Ehegatten bewusst treuwidriges, zielgerichtetes Verhalten des Anwartschaftsberechtigten erforderlich. Ein solches Verhalten ist vorliegend aber nicht ersichtlich. Der Antragsgegner mag schuldhaft und in strafbarer Weise den Verlust seiner Pensionsansprüche herbeigeführt haben. Dass er dies zum Zweck der Schädigung der Antragstellerin getan haben soll, ist allerdings abwegig. Primär ist vielmehr er selbst geschädigt, die Antragstellerin ist lediglich indirekt über einen bloßen Rechtsreflex benachteiligt. Berücksichtigt man, dass ausweislich der diversen gerichtlichen Feststellungen eine krankheitsbedingte (Mit-)Verursachung des beamtenrechtlichen Fehlverhaltens offenkundig erscheint (der Antragsgegner war schlicht überfordert), so widerspricht die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs dem gesetzlichen Grundgedanken keineswegs. Die Antragstellerin hat demnach an der negativen Karriereentwicklung des Antragsgegners zu partizipieren, wie sie gleichermaßen an einer positiven Entwicklung seiner beruflichen Laufbahn partizipiert hätte.

Gegen diese ihr am 28.04.2022 zugestellte Entscheidung legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 24.05.2022, eingegangen beim Amtsgericht am 25.05.2022, Beschwerde ein. Sie verfolgt den in erster Instanz gestellten Antrag weiter und bringt vor:

Hätte der Antragsgegner die Straftaten nicht begangen, sondern wäre seiner Pflicht als Beamter nachgekommen, hätte er erheblich höhere Anwartschaften beim Landesamt für Finanzen. Die genaue Ermittlung des Schadens müsse durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden. Sie habe als Beamtin einen Ausgleichswert von 172.863,40 EUR erwirtschaftet, der Antragsgegner lediglich 138.306,50 EUR. Durch die Straftaten habe sie einen erheblichen Schaden erlitten. Die Durchführung des Ausgleichs sei deswegen nach § 27 VersAusglG unbillig. Denn der Antragsgegner habe durch sein strafbares Verhalten erreicht, dass nunmehr sie im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgleichspflichtig sei. Es müsse ihm bewusst gewesen sein, dass er durch sein Verhalten seine Ehefrau im Versorgungsausgleich massiv schädige. Soweit das Gericht ausführte, dass eine krankheitsbedingte (Mit)Verursachung des Fehlverhaltens offenkundig erscheint, sei dies nicht zutreffend. Der Antragsgegner sei zu keinem Zeitpunkt erwerbsunfähig oder...

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