Rz. 103

Wenn der überlebende Ehepartner enterbt wird oder der überlebende Ehepartner erbt nicht alle Assets, hat der überlebende Ehepartner eine Reihe von Willensrechten. Er kann ein Recht auf einen Nießbrauch an der Ehewohnung und am Hausrat geltend machen. Nach Versterben des Erblassers kann der überlebende Ehegatte sechs Monate in der Ehewohnung wohnen bleiben mit Nutzung des Hausrats. Selbst wenn die Ehewohnung einem Kind vermacht worden ist, kann der überlebende Ehegatte trotz des Vermächtnisses die Wohnung weiterhin bewohnen (Art. 4:28 Abs. 1 BW). Voraussetzung ist allerdings, dass der überlebende Ehegatte zur Zeit des Versterbens des Erblassers alleine oder gemeinsam in der Wohnung wohnte (Art. 4:29 BW). Die Erben sind verpflichtet, an der Begründung des Nießbrauchs mitzuwirken, wenn der überlebende Ehegatte dies verlangt, es sei denn, das Versorgungsbedürfnis des überlebenden Ehegatten ist auf andere passende Weise gegeben. Gegebenenfalls kann er auch ein Recht auf den Nießbrauch an anderen Gütern geltend machen, soweit ein Versorgungsbedürfnis besteht. Der Anspruch auf die Begründung eines Nießbrauchs verfällt sechs Monate nach Versterben des Erblassers (Art. 4:31 Abs. 2 BW).

 

Rz. 104

Als "sonstige gesetzliche Rechte" können des Weiteren folgende verschiedene Forderungen geltend gemacht werden:

Minderjährige Kinder können aufgrund des Art. 4:35 BW in dem Fall, dass z.B. ein Dritter zum Alleinerben ernannt worden ist, ein "anderes gesetzliches Recht" in Anspruch nehmen und vom alleinigen Erben eine einmalige Abfindungssumme für die Versorgung und Erziehung fordern. Dazu gehört auch ein biologisches Kind des Erblassers, dem er Unterhalt zahlte. Diese Forderung steht dem Kind allein dann zu, wenn der Ehegatte oder der Erbe des Erblassers nicht schon kraft Gesetzes oder durch Vertrag verpflichtet ist, diese Kosten zu erfüllen (Art. 4:35 Abs. 2 BW).
Das volljährige Kind, das jünger als 21 Jahre ist, kann ebenfalls eine einmalige Abfindung für den Lebensunterhalt während des Studiums fordern, soweit nicht der überlebende Ehegatte des Erblassers selber schon gesetzlich unterhaltspflichtig ist. Im Testament können jedoch nicht die Forderungsrechte der Kinder gegen den überlebenden Ehegatten ausgeschlossen werden.
Ein Kind, Stiefkind, Pflegekind, Schwiegerkind oder Enkelkind kann als gerechte Vergütung für die ohne passende Belohnung während der Volljährigkeit in einem durch den Erblasser ausgeübten Betrieb oder freien Beruf erbrachten Tätigkeiten eine einmalige Abfindungssumme fordern. Das Kind oder Stiefkind kann einen Anspruch auf Übertragung der Güter, die dem durch den Erblasser ausgeübten Betrieb oder Beruf dienstbar waren, der durch das Kind, Stiefkind oder dessen Ehegatten fortgeführt wird, an das Kind, das Stiefkind oder dessen Ehegatten geltend machen.
Wenn ein Kind, Stiefkind, Pflegekind, Schwiegerkind oder Enkelkind während der Volljährigkeit Arbeitstätigkeiten im Haushalt des Erblassers erbracht hat, ohne eine gerechte Vergütung erhalten zu haben, so hat es Anspruch auf eine einmalige Summe als gerechte Vergütung.
 

Rz. 105

Die genannten einmaligen Abfindungssummen müssen innerhalb von neun Monaten nach dem Tode des Erblassers in Anspruch genommen werden. Sie umfassen insgesamt höchstens die Hälfte des Nachlasses. Wenn es mehrere einmalige Abfindungssummen gibt, müssen diese proportional gemindert werden. Bemerkenswert ist, dass diese einmaligen Abfindungssummen im Rang vor dem Pflichtteilsrecht stehen, da sie als Schuld des Nachlasses behandelt werden.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge