Leitsatz

Jedenfalls stellen die Felder des Berliner Mietspiegels 2007, die nicht Teil des qualifizierten Mietspiegels sind, weil sie lediglich auf 15 bis 29 Mietwerten basieren, eine geeignete Grundlage für eine Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete dar.

(amtlicher Leitsatz des KG)

 

Normenkette

ZPO §§ 319 Abs. 1, 511 Abs. 2 Nr. 1, 522 Abs. 2

 

Kommentar

Es geht um die Zustimmung zur Mieterhöhung für eine in Berlin gelegene Neubauwohnung. Die Wohnung befindet sich in guter Lage, hat eine Wohnfläche von 135 qm und ist mit Zentralheizung und einem Bad ausgestattet. Das AG hat die ortsübliche Miete nach dem Berliner Mietspiegel 2007 auf 9,61 EUR/qm festgesetzt. Das KG als Berufungsgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Mietspiegel auch dann Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein kann, wenn die Mietspiegeldaten auf einer unzulänglichen Datenerhebung beruhen.

Anmerkung

Im Berliner Mietspiegel sind die Mieten in Form einer Preisspanne (Oberwert/Unterwert) angegeben. Der Berliner Mietspiegel gilt als "qualifizierter Mietspiegel" i. S. v. § 558d BGB. Für einen solchen Mietspiegel gilt die gesetzliche Vermutung, dass die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs. 3 BGB). Die Vermutungswirkung setzt voraus, dass der Mietspiegel "nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt" worden ist. Nach den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen herausgegebenen "Hinweisen zur Erstellung von Mietspiegeln 2002" (abgedruckt in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., Anhang zu §§ 558c, 558d BGB) setzt dies unter anderem voraus, dass der Wohnungsbestand einer Gemeinde über eine Stichprobe erfasst wird; dabei muss jedes Mietspiegelfeld mit mindestens 30 Wohnungen besetzt sein (s. Schmidt-Futterer, Mietrecht, nach §§ 558c, 558d BGB Rdn. 97).

In dem Entscheidungsfall war die Wohnung in das Mietspiegelfeld L 9 einzuordnen. Für die dort aufgeführte Wohnungskategorie gab es in der Stichprobe lediglich zwischen 15 und 29 Vergleichsobjekte. Aus diesem Grund wird in den Erläuterungen zum Mietspiegel darauf hingewiesen, dass dieses Feld "wegen geringer Zahl erhobener Mietwerte nur bedingte Aussagekraft" hat. Das KG folgert hieraus zu Recht, dass die Vermutungswirkung für diese Wohnungskategorie nicht gilt.

Dies führt zu der Frage, ob der Mietspiegel für solche Fälle überhaupt anwendbar ist. Der Senat vertritt die Ansicht, dass der Mietspiegel insoweit gem. § 287 Abs. 2 ZPO verwertet werden kann. Nach dieser Vorschrift kann die Höhe eines Anspruchs nach freier Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, wenn "die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgeblichen Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen". Das Gericht führt hierzu aus, dass die Einschaltung eines Sachverständigen mit Schwierigkeiten und einem relativ hohen Kostenaufwand verbunden sei. Der Mietspiegel bilde jedenfalls dann eine ausreichende Schätzgrundlage, wenn der ausgewiesene Wert auf mindestens 15 empirisch ermittelten Vergleichswerten beruhe.

Praxis-Tipp

Im Regelfall ist für Berufungen gegen amtsgerichtliche Urteile in Mietsachen das Landgericht zuständig. Eine Ausnahme gilt gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG, wenn eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Deshalb war im vorliegenden Fall das KG zuständig. Jedoch ist zu beachten, dass § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG mit Wirkung vom 1.9.2009 ersatzlos aufgehoben wurde (Art. 22 Nr. 14 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008, BGBl. I, 2586). Das Änderungsgesetz enthält keine Übergangsvorschrift, sodass unklar ist, ob es für den Wechsel der Zuständigkeit auf den Zeitpunkt der Verkündigung des erstinstanzlichen Urteils, auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung oder auf den Ablauf der Berufungsfrist oder auf einen anderen Zeitpunkt ankommt. Deshalb ist es in der Übergangszeit empfehlenswert, die Berufung in Sachen mit Auslandsberührung sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht einzulegen.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss vom 26.03.2009, 8 U 10/09, WuM 2009, 409 m. Anm. Börstinghaus, jurisPR-MietR 14/2009 Anm. 4

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