Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Bemessungsentgelt. Arbeitsentgeltanspruch. Lohnnachzahlung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Betriebsstilllegung. erfolgloser Lohnverzicht

 

Leitsatz (amtlich)

Ist zwischen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber vereinbart worden, dass bei einer zur Sicherung der Arbeitsplätze vereinbarten Absenkung des Arbeitsentgelts dann, wenn es doch zum Verlust der Arbeitsplätze innerhalb eines bestimmten Zeitraums kommt, zum Ausgleich eine Sonderzahlung vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erfolgt, ist diese Zahlung beim Bemessungsentgelt nach § 151 SGB III zu berücksichtigen. Dem steht § 151 Abs 2 Nr 1 SGB III nicht entgegen, weil der betroffene Arbeitnehmer diese Zahlung nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält, sondern wegen der Erfolglosigkeit des zur Sicherung der Arbeitsplätze verabredeten Lohnverzichts.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.08.2017; Aktenzeichen B 11 AL 16/16 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Klägerin zu ihren Gunsten zu korrigieren ist.

Die Klägerin war bis Ende Juni 2012 Arbeitnehmerin bei der T. s. center L. GmbH (im Folgenden als Arbeitgeberin bezeichnet) und dort als Kundenberaterin beschäftigt. Die Arbeitgeberin war ein Tochterunternehmen der T. S. C. M. GmbH in H., die jeweils mit der Rechtsform der GmbH fünf Service Center in Deutschland betrieb. Vorausgegangen waren Arbeitsverhältnisse der Klägerin mit der D. T. AG und der V. C. Service GmbH, die jeweils durch Betriebsübergang nach § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches auf das nachfolgende Unternehmen übergegangen waren.

Im Dezember 2009 schlossen die Geschäftsführung der Arbeitgeberin und der Betriebsrat am Standort L. eine Vereinbarung "mit dem Ziel der Sicherung der Arbeitsplätze und zur Vermeidung einer in Aussicht gestellten Betriebsstilllegung" ab. Danach sollten die Bruttojahresgehälter der Arbeitnehmer beginnend mit dem 1. Januar 2010 abgesenkt werden. Für Kundenberater und Kundenberaterinnen war eine Absenkung auf ein Bruttojahresgehalt von 25.000,00 EUR vorgesehen. Dabei sollte die Absenkung in Stufen und zwar in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. März 2010 um 25%, in der Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2010 um 50%, in der Zeit vom 1. bis zum 30. September 2010 um 75% und dann ab dem 1. Oktober 2010 um den vollen Absenkungsbetrag erfolgen. Zur Umsetzung sollten allen Mitarbeitern des Betriebes neue Arbeitsverträge angeboten werden. Die Arbeitgeberin erklärte sich im Gegenzug bereit, den Standort in L. bis zum 30. November 2013 weiterzuführen. Zugleich war nach der Vereinbarung bis 30. November 2013 der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen ausgeschlossen. Für Arbeitnehmer, die nicht zum Abschluss neuer Verträge bereit waren, waren betriebsbedingte Kündigungen und Abfindungen vorgesehen. Die Vereinbarung enthielt weiter die Bestimmung:

"Wird der Betrieb, was weiter zulässig bleibt, wider Erwarten dennoch bis zum 30.11.2013 geschlossen, wird zur Kompensation des zum Zweck der Standortsicherung erklärten Lohnverzichts folgender Lohn als einmalige Bruttolohnzahlung im letzten Lohnmonat im Jahr der Schließung nachgezahlt: Die Differenz der gezahlten Bruttolöhne der letzten 12 Monate vor Ausscheiden zu dem Betrag des Brutto-Jahreslohns 2009 nach folgender Staffel:

bei Ausscheiden bis zum 31.12.2011 in voller Höhe,

bei Ausscheiden bis zum 31.12.2012 in Höhe von 2/3 und

bei Ausscheiden bis zum 31.12.2013 in Höhe von 1/3 der Differenz." Wegen des näheren Inhalts der Vereinbarung wird auf Blatt 18 bis 22 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Klägerin schloss mit der Arbeitgeberin im Dezember 2009 einen neuen Arbeitsvertrag im Zuge der Umsetzung der Betriebsvereinbarung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 ab. Darin war ein monatliches Bruttogehalt von 2.083,34 EUR vereinbart, das damit um 1.239,16 EUR unter dem bisher maßgeblichen monatlichen Bruttogehalt lag. Im Hinblick auf die in der Betriebsvereinbarung festgelegte Absenkung in drei Stufen waren zeitlich gestaffelte monatliche Lohnzulagen vereinbart, die mit dem Ende des Monats September 2010 ausliefen. Unter der Überschrift "§ 2 Kündigungsschutz" enthielt der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

"Der Arbeitgeber verzichtet gegenüber dem Mitarbeiter bis zum 30.11.2013 auf den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen am Standort mit Ausnahme einer Betriebsstilllegung.

Sollte der Arbeitsvertrag wegen einer Betriebsstilllegung vor dem 30.11.2013 beendet werden, so gewährt der Arbeitgeber dem Mitarbeiter mit Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Lohnnachzahlung in Höhe der Differenz der gezahlten Bruttolöhne der letzten 12 Monate vor dem Ausscheiden zu dem Betrag von 39.970,08 EUR nach folgender Staffel: bei Ausscheiden bis zum 31.12.2011 in voller Höhe, bei Ausscheiden bis zum ...

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