Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Verfassungsmäßigkeit von § 115 Abs 1a SGB 11 und der Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA). Berufsausübungsfreiheit. Gebot des effektiven Rechtsschutzes. verfassungskonforme Auslegung von § 2 S 2 PTVA. Stichprobenverfahren. Anzahl der geprüften Pflegebedürftigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der vorläufige Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes richtet sich nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG. Weder ihre Ankündigung noch die Veröffentlichung selbst sind Verwaltungsakte.

2. § 115 Abs 1a SGB 11 und die Pflegetransparenzvereinbarung Ambulant (PTVA) sind grundsätzlich verfassungsgemäß.

3. Art 12 Abs 1 GG schützt nicht vor der Verbreitung inhaltlich zutreffender und mit der gebotenen Sachlichkeit und Zurückhaltung formulierter Informationen durch einen Träger von Staatsgewalt (vgl BVerfG vom 26.6.2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 = BVerfGE 105, 252 = NJW 2002, 2621).

4. Die bei der Veröffentlichung von Transparenzberichten bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten genügen den Anforderungen nach Art 19 Abs 4 GG.

5. § 2 S 2 PTVA ist in verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen und anzuwenden, dass 10 Prozent oder mindestens 10 und höchstens 15 pflegebedürftige Menschen in die Prüfung einzubeziehen sind.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 13. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner haben auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragsgegner wenden sich mit der Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts Halle, mit der ihnen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 7. Juli 2010 betreffend den von der Antragstellerin betriebenen ambulanten Pflegedienst untersagt wird.

Die Antragstellerin ist Mitglied des Landesverbandes Hauskrankenpflege Sachsen-Anhalt e.V. und betreibt einen nach § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) durch Versorgungsvertrag vom 9. April 2008 zugelassenen ambulanten häuslichen Krankenpflegedienst mit ca. 87 (Stand im Juli 2010) zu versorgenden Personen, in dem die Antragsgegner am 7. Juli 2010 durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) eine Qualitätsprüfung nach den §§ 114 ff SGB XI durchführen ließen. Es handelte sich um eine Wiederholungsprüfung im Auftrag des Antragsgegners zu 1, nachdem die letzte Prüfung am 2. November 2009 als Anlassprüfung durchgeführt worden war. Von den zum Prüfungszeitpunkt versorgten 87 Personen waren 36 Leistungsempfänger nach dem SGB XI und dem SGB V, 45 ausschließlich nach dem SGB V und zwei ausschließlich nach dem SGB XI. Für weitere vier Personen waren Anträge nach dem SGB XI gestellt, aber noch nicht beschieden worden.

Im Prüfbericht wird angegeben, es seien im Rahmen der Überprüfung der Ergebnisqualität fünf als P1 bis P5 bezeichnete Pflegebedürftige mit den Pflegestufen I bis III ausgewählt worden, um ein Gespräch zur Zufriedenheit und eine Überprüfung des Pflegezustandes durchzuführen. Fachlicher Gegenstand der Überprüfung waren Behandlungspflege, Mobilität, Ernährung und Flüssigkeitsversorgung, Ausscheidung, Umgang mit Demenz und Körperpflege und sonstige Aspekte der Ergebnisqualität, wobei die den einzelnen Pflegebereichen zugeordneten Prüfkriterien zum Teil nicht auf alle geprüften Pflegebedürftigen zutrafen. So war u. a. bei der Behandlungspflege zum sachgerechten Umgang mit der Medikamentengabe entsprechend der ärztlichen Verordnung vermerkt, dies treffe auf zwei Pflegebedürftige zu und in einem Fall nicht zu. Die "Berücksichtigung des aktuellen Standes des Wissens bei der Behandlung chronischer Wunden/des Dekubitus" treffe in einem Fall nicht zu. Bei der Mobilität wurde festgestellt, die "Erfassung des Dekubitusrisikos" treffe zweimal zu und einmal nicht zu. Zur Ernährung und Flüssigkeitsversorgung war vermerkt, es sei in keinem Fall eines der neun Prüfkriterien erfüllt, während die jeweiligen Prüfpunkte als in einem oder zwei Fällen als nicht erfüllt eingetragen waren. Lediglich bei der Körperpflege und den sonstigen Aspekten der Ergebnisqualität trafen alle vier Kriterien auf die fünf geprüften Pflegebedürftige zu. Von den insgesamt 33 Einzelkriterien trafen 13 auf jeweils eine geprüfte Person zu und waren als nicht erfüllt eingetragen. In den Empfehlungen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten legte der MDK zahlreiche Maßnahmen fest, die von der Antragstellerin unverzüglich umzusetzen seien.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2010 übersandte der MDK der Antragstellerin den Prüfbericht, die dazu unter dem 29. Juli 2010 Stellung nahm. Die festgestellten Mängel beträfen ausschließlich solche in der Dokumentation, während die Pflege tatsächlich ordnungsge...

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