Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 11.07.1996; Aktenzeichen S 8 A 164/94)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.10.1998; Aktenzeichen B 5/4 RA 80/97 R)

BSG (Urteil vom 29.09.1998; Aktenzeichen B 4 RA 9/98 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11.7.1996 und der Bescheid der Beklagten vom 7.6.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.1994 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, für die Erziehung der Kinder S. und T. Pflichtbeitrags- und Berücksichtigungszeiten im Versicherungsverlauf der Klägerin vorzumerken.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten nach §§ 56, 57 SGB VI.

Die am … 1959 geborene Klägerin ist Apothekerin. Mit Bescheid der Beklagten vom 24.8.1984 wurde sie gemäß § 7 Abs. 2 AVG wegen ihrer Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk (hier Bayerische Versorgungskammer, Bayerische Apothekerversorgung) ab 1.5.1984 von der Versicherungspflicht befreit.

Die Klägerin war in der Folgezeit bis zur Geburt ihres Sohnes F. am … 1990 als angestellte Apothekerin beschäftigt. Bereits ab dem 17.4.1990 leistete sie an das Versorgungswerk freiwillig monatliche Mindestbeiträge in Höhe von 1/8 des jeweiligen Höchstbeitrages in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 20 Abs. 3 Ziffer 4 der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung. Nach § 17 Abs. 1 Ziffer 3 dieser Satzung endet die Mitgliedschaft in dem berufsständischen Versorgungswerk kraft Gesetzes durch Aufgabe der Berufsausübung ohne Eintritt der Berufsunfähigkeit vor dem Zeitpunkt, zu dem vorgezogenes Altersruhegeld eingewiesen wird, oder vor Vollendung des 65. Lebensjahres; eine Unterbrechung der Berufsausübung von weniger als einem Jahr gilt nicht als deren Aufgabe. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift endet die Mitgliedschaft im Falle der Berufsaufgabe mit dem Eingang einer entsprechenden schriftlichen Mitteilung beim Versorgungswerk. Sie endet rückwirkend zum Zeitpunkt der Aufgabe der Berufsausübung, wenn die Mitteilung innerhalb von sechs Monaten seit diesem Zeitpunkt eingeht. Gemäß Absatz 3 ist über die Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes ein Bescheid zu erteilen, der einen Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Fortsetzung der Mitgliedschaft (§ 18 der Satzung) zu enthalten hat.

Nach Beendigung des Erziehungsurlaubs nahm die Klägerin am 1.1.1992 eine Tätigkeit als Bürokraft bei ihrem Ehemann auf. Hierfür wurden an die zuständige Einzugsstelle (BEK N./…) Rentenversicherungsbeiträge abgeführt, ohne daß eine bescheidmäßige Feststellung über die Versicherungspflicht getroffen worden ist. Auf eine entsprechende Anfrage der Klägerin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 2.7.1992 mit, daß die Befreiung nach § 7 Abs. 2 AVG nicht zu widerrufen sei, sofern die Mitgliedschaft im Versorgungswerk fortgeführt werde. Die Befreiung erstrecke sich jedoch nicht auf berufsfremde Tätigkeiten, es sei denn, diese erfüllten die in § 6 Abs. 5 SGB VI genannten Voraussetzungen.

Im Dezember 1993 beantragte die Klägerin die Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für die am … 1992 geborenen Zwillinge S. und T..

Mit Bescheid vom 7.6.1994 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung solcher Zeiten ab. Die Klägerin sei gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten und damit auch der Berücksichtigungszeiten ausgeschlossen, da sie während der Erziehungszeit von der Versicherungspflicht befreit gewesen und nach dieser Zeit nicht nachversichert worden sei.

In ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei versicherungspflichtig beschäftigt und entrichte Beiträge zur Rentenversicherung. Deshalb sei § 56 Abs. 4 SGB VI auf sie gar nicht anwendbar.

Mit Bescheid vom 1.9.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die zum 1.5.1984 gemäß § 7 AVG ausgesprochene Befreiung wirke gemäß § 231 Satz 1 SGB VI fort. Da für die Klägerin somit weiterhin keine Versicherungspflicht in der Beschäftigung als Apothekerin bestehe, sei sie nach dem eindeutigen Wortlaut des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI von der versicherungspflichtigen Kindererziehung ausgeschlossen. Hierbei sei es unerheblich, ob sie ihre Beschäftigung als Apothekerin ausübe oder einer anderen in der Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.10.1994 bei dem Sozialgericht Speyer Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, sie werde durch eine derartige Rechtsanwendung erheblich benachteiligt, da das Versorgungswerk keine Kindererziehungszeiten berücksichtige. Die Beklagte hat demgegenüber an ihrer Auffassung festgehalten, es komme nur auf den Befreiungstatbestand als solchen an.

Mit Urteil vom 11.7.1996 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Urteilsgründen wird im wesentlichen ausgeführt, der Gesetzgeber habe den Personenkreis, bei dem außerh...

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