Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion. Antrag auf Kostenübernahme für radiofrequenzinduzierte Thermotherapie (RFITT). neue Behandlungsmethode. keine positive Empfehlung des G-BA. Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Leistung liegt nicht schon dann offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des Urteils des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, wenn es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt, für die der Gemeinsame Bundesausschuss keine Empfehlung nach § 135 SGB V abgegeben hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.09.2017; Aktenzeichen B 1 KR 6/17 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 25.08.2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2015 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten für die am 27.03.2015 durchgeführte radiofrequenzinduzierte Thermotherapie (RFITT) in Höhe von 1.630,10 € zu erstatten.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine radiofrequenzinduzierte Thermotherapie (RFITT) in Höhe von 1.630,10 € hat.

Der 1935 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, litt an einer ausgeprägten Stammvenenerkrankung (Varizen der unteren Extremitäten) beidseits. Mit Schreiben vom 23.04.2014, bei der Beklagten eingegangen am 27.11.2014, beantragte der Facharzt für Chirurgie Dr. … für den Kläger eine Behandlung mittels RFITT und legte einen Kostenvoranschlag vor. In einer ärztlichen Bescheinigung vom 21.11.2014 führte er aus, aufgrund des fortgeschrittenen Alters sei diese Behandlung als schonendste Technik empfohlen worden. Am 06.01.2015 veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Mit Schreiben vom 07.01.2015 teilte sie dem Kläger mit, sein Anliegen könne nicht so schnell wie gewohnt bearbeitet werden. Er werde um Geduld gebeten und erhalte schnellstmögliche Antwort. Die Unterlagen seien dem MDK mit der Bitte um Stellungnahme übersandt worden. Dr. G und Dr. S, MDK, gelangten in ihrem Gutachten vom 13.01.2015 zu dem Ergebnis, die begehrte Behandlung könne sozialmedizinisch nicht empfohlen werden. Es handele sich um eine neue Behandlungsmethode, die nur gewählt werden könne, wenn eine akute, lebensbedrohliche Situation vorliege. Diese sei hier nicht erkennbar. Mit Bescheid vom 20.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Am 27.03.2015 führte Dr. … die RFITT beim Kläger durch und stellte hierfür einen Betrag von 1.630,10 € in Rechnung, den der Kläger beglich. Durch Widerspruchsbescheid vom 01.07.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, es handele sich um eine neue Behandlungsmethode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bisher keine Empfehlung abgegeben habe.

Hiergegen hat der Kläger am 28.07.2015 Klage beim Sozialgericht Speyer erhoben. Er hat vorgetragen, ein Kostenerstattungsanspruch resultiere aus dem Eintritt der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Durch Urteil vom 25.08.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V seien nicht erfüllt. Der Kläger habe keinen Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte auf die durchgeführte Behandlung gehabt, weil es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, die noch nicht vom GBA anerkannt sei. Auch ein Ausnahmefall habe nicht vorgelegen. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V wegen des Eintritts der Genehmigungsfiktion scheitere daran, dass die selbstbeschaffte Leistung nicht erforderlich im Sinne der Norm gewesen sei. Aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V resultiere aufgrund des klaren Wortlauts eine fingierte Genehmigung der beantragten Leistung, welche einem ausdrücklichen bewilligenden Verwaltungsakt rechtlich gleichstehe. Die fiktiv genehmigte Leistung sei von der Krankenkasse ohne weitere Voraussetzungen als Sachleistung tatsächlich zu erbringen. Aus der Genehmigungsfiktion habe der Leistungsberechtigte mithin einen Naturalleistungsanspruch. Dabei sei die Prüfung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Leistung im Einzelfall keine tatbestandliche Voraussetzung des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Eine Rücknahme der fingierten Genehmigung oder ein Widerruf sei vor der am 27.03.2015 erfolgten Selbstbeschaffung der RFITT nicht erfolgt. Einen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V für die selbstbeschaffte RFITT habe der Kläger aber als (unterstellter) Inhaber eines Naturalleistungsanspruchs aus der Genehmigungsfiktion nicht. Denn die RFITT sei nicht er...

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