Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Höhe. Arbeitsentgeltanspruch. Kündigung des Restrukturierungstarifvertrages. Auslegung des Tarifwortlautes. Rückwirkung

 

Orientierungssatz

Die Kündigung des Restrukturierungstarifvertrages Nordrhein-Westfalen entfaltet keine Rückwirkung in Bezug auf Insolvenzgeldansprüche nach § 183 Abs 1 S 1 und S 3 SGB 3.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.03.2009; Aktenzeichen B 11 AL 8/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.03.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt weiteres Insolvenzgeld aus Bruttoentgeltansprüchen in Höhe von 3.018,53 EUR.

Er war von August 1996 bis 31.10.2003 bei der am Firma L Küchen GmbH (Arbeitgeber) in L beschäftigt. Über das Vermögen des Arbeitgebers, bei dem mehrere Hundert Arbeitnehmer beschäftigt waren, ist am 01.11.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Wie für alle Mitarbeiter des Unternehmens galt auch für den Kläger nach seinen Angaben der Tarifvertrag der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme.

Am 13.11.2002 hatte der Arbeitgeber mit der IG Metall - Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen - einen sog. Restrukturierungstarifvertrag geschlossen. Nach §§ 2 und 3 dieses Tarifvertrages verzichteten die Arbeitnehmer auf einen Teil ihrer tariflichen Ansprüche auf Urlaubsgeld und 13. Monatsgehalt. Die tarifliche Lohnerhöhung für das Jahr 2003 wurde nach § 4 bis 30.09.2003 ausgesetzt.

Der Vertrag enthielt in § 6 eine Prämienregelung für den Fall, dass das Unternehmen einen Jahresüberschuss von mindestens 200.000 Euro erzielen würde und im Übrigen noch folgenden Passus:

"Werden die vom Unternehmen vorgesehenen Modernisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen nicht oder nur unzureichend durchgeführt oder verweigern Kreditinstitute zugesagte Kredite oder kündigen sie bestehende oder droht eine Insolvenz, hat die IG Metall das Recht, diese Vereinbarung zu kündigen. Damit entstehen die ursprünglichen Ansprüche neu und werden unmittelbar fällig."

Wegen des weiteren Inhalts des Tarifvertrages im Einzelnen wird auf Bl. 13 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die IG Metall kündigte nach dem Bekanntwerden des Insolvenzantrages am 03.09.2003 den Restrukturierungstarifvertrag und machte für die Beschäftigten die "ursprünglichen" Ansprüche geltend. Entgeltansprüche der Arbeitnehmer wurden von dem Arbeitgeber für die Zeit ab 01.08.2003 nicht mehr erfüllt.

Am 05.11.2003 beantragte der Kläger Insolvenzgeld. Der beigeladene Insolvenzverwalter bestätigte in einer Insolvenzgeldbescheinigung vom 18.11.2003 für die Monate August bis Oktober rückständige Entgeltansprüche in Höhe von 4.889,62 Euro, wobei die tariflichen Lohnansprüche nach seinen Angaben erst ab 03.09.2003 wieder in voller Höhe berücksichtigt wurden.

Mit Bescheid vom 20.11.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Monate August bis Oktober in Höhe von 4.889,62 Euro, wobei ein Betrag in Höhe von 3.058,05 EUR an eine Bank gezahlt wurde, die den Insolvenzgeldanspruch mit Zustimmung der Beklagten in dieser Höhe vorfinanziert hatte.

Hiergegen legte der Kläger am 18.12.2003 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.04 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Beklagte führte aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Insolvenzgeld, da bis zur Kündigung des Restrukturierungstarifvertrages nur die sich daraus ergebenden Ansprüche insolvenzgeldfähig seien. Die dem Kläger tariflich zustehende Lohnerhöhung sei erst ab dem Zeitpunkt der Kündigung des Restrukturierungstarifvertrages im September zu berücksichtigen gewesen. Selbst wenn die Parteien des Tarifvertrages eine Rückwirkung der Kündigung gewollt hätten, so könne der Kläger hieraus gegenüber der Beklagten keine Ansprüche herleiten, da dieses eine Vereinbarung zu Lasten Dritter, nämlich der Allgemeinheit darstelle.

Dagegen hat der Kläger am 13.4.2004 vor dem Sozialgericht Detmold (SG) Klage erhobenen, mit der er einen Anspruch auf höheres Insolvenzgeld weiterverfolgt.

Er ist der Ansicht, dass ihm aufgrund der Vereinbarung in § 6 des Vertrages Insolvenzgeld aus den vollen in der Vergangenheit nicht erbrachten Leistungen zustehe. Durch die Kündigung seien seine Ansprüche rückwirkend entstanden und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Kündigung. Auch stelle diese Vereinbarung keinen Vertrag zu Lasten Dritter dar, da auch andere Ereignisse als die Insolvenz als Kündigungsgrund aufgeführt seien und daher keinesfalls somit nur höhere Insolvenzgeldansprüche abgesichert werden sollten.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2004 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte ihm Insolvenzgeld für die Monate August bis Oktober auf der Grundlage seiner tariflichen Ansprüche nach den gesetzlichen Bestimmungen bewilligt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuwei...

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