Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Arbeitnehmerüberlassung. Abweichung eines Verleihunternehmens von dem Gebot des Equal pay. Bewertung einer arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Bezugnahmeklausel auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag. Vertrauensschutz. Anforderungen an die Ermittlungen des prüfenden Rentenversicherungsträgers

 

Orientierungssatz

1. Zur Abweichung eines Verleihunternehmens von dem Gebot des Equal pay, ohne dass es sich auf eine Ausnahme von diesem Grundsatz berufen kann und zur Bewertung einer arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Bezugnahmeklausel auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag (vgl ua BAG vom 13.3.2013 - 5 AZR 954/11 = BAGE 144, 306).

2. Zur Frage des Vertrauensschutzes in eine vermeintlich günstigere höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Bewertung einer arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Bezugnahmeklausel auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag.

3. Zu den Anforderungen an die Ermittlungen des prüfenden Rentenversicherungsträgers im Sinne von § 28f SGB 4.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.04.2021; Aktenzeichen B 12 R 18/19 R)

BSG (Beschluss vom 08.04.2021; Aktenzeichen B 12 R 18/19 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.10.2015 geändert und der Bescheid der Beklagten vom 4.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2015 aufgehoben, soweit dieser eine Nachforderung für den Beigeladenen zu 3) i.H.v. 1.566,96 EUR festsetzt. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird im Berufungsrechtszug endgültig auf 1.566,96 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung der Beklagten für den Prüfungszeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013. Dabei ist im vorliegenden Verfahren nach Trennung noch eine Nachforderung bezüglich des Beigeladenen zu 3) i.H.v. 1.566,96 EUR für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.10.2011 sowie vom 1.12.2011 bis zum 31.10.2012 streitig.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Q. Sie ist in das Handelsregister des Amtsgerichts Q unter der Registernummer HRB xxx eingetragen und firmierte bis Juli 2014 unter "A GmbH". Unternehmensgegenstand war im Streitzeitraum die gewerbliche Überlassung von Arbeitnehmern. Dafür verfügte sie über eine Erlaubnis nach dem Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG).

Unter dem 13.11.2008 schloss die Klägerin mit der X N KG Spedition und Güterverkehr (N KG) mit Sitz in Q Arbeitnehmerüberlassungsverträge über zu entleihende Arbeitskräfte, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Auf dieser Basis wurde der im Juli 1964 geborene Beigeladene zu 3) als Staplerfahrer an die N KG verliehen. Ein zu deren Stammbelegschaft gehörender Staplerfahrer erhielt im Streitzeitraum nach einer im Berufungsverfahren durch den Senat eingeholten Auskunft einen Stundenlohn von ca. 9,50 EUR. Darin sind Lohnzuschläge bereits enthalten. Die Regelarbeitszeit betrug 40 Wochenstunden. Die Vergütung ergab sich nicht aus einem Tarifvertrag (Auskunft der X N Logistik GmbH v. 8.5.2019).

In dem zum Zwecke der Verleihung zwischen dem Beigeladenen zu 3) und der Klägerin am 5.11.2008 geschlossenen "Arbeitsvertrag für Zeitarbeitnehmer" (ArbV), auf den im Übrigen Bezug genommen wird, regelten die Vertragsparteien u.a. folgendes:

"§ 1 Vertragsgegenstand/Tarifanwendung

1. Der Arbeitnehmer wird als Staplerfahrer eingestellt. Er verpflichtet sich, bei Kundenunternehmen des Arbeitgebers an verschiedenen Orten im gesamten Bundesgebiet und ggf. im benachbarten Ausland tätig zu werden.

2. Art, besondere Merkmale der zu leistenden Tätigkeit und die dafür erforderlichen Qualifikationen sind: Staplerschein. Der Arbeitnehmer versichert, über die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Qualifikationen zu verfügen.

3. [ ...].

4. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zurzeit die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag).

Im Falle eines Verbandswechsels des Arbeitgebers gelten die Bestimmungen der dann einschlägigen Tarifwerke in ihrer jeweils geltenden Fassung. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird, gilt dessen Inhalt.

5. Soweit die nachfolgenden Regelungen mit den Bestimmungen der in Bezug genommenen Tarifverträge wörtlich übereinstimmen, dient dies der besseren Verständlichkeit dieses Vertrages; Wortlautwiederholungen tariflicher Bestimmungen sind demnach nur deklaratorisch. Soweit ...

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