Entscheidungsstichwort (Thema)

Streichung eines Arzneimittels von der Me-Too-Liste

 

Orientierungssatz

1. § 84 Abs. 1 SGB 5 ist eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung geschlossene Arzneimittelvereinbarung und eine Zielvereinbarung, mit der über eine Me-Too-Liste (Liste von Analogpräparaten bzw. Scheininnovationen) der Generikaumsatz um fünf Prozentpunkte reduziert werden soll.

2. Ein Pharma-Unternehmen kann nicht im Wege der einstweiligen Anordnung beanspruchen, dass seine Produkte (hier: Actonel 30 und Actonel 5/35) von der Me-Too-Liste gestrichen werden, wenn dadurch ein Umsatzrückgang um 5 % eintritt, die Eigenschaft als Me-Too- Präparat sich aber nur durch ein Sachverständigengutachten klären ließe, da das öffentliche Interesse an der Begrenzung der Generikakosten überwiegt.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.09.2006 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2,5 Mio. EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin unter der Marke Actonel vertriebenen Präparate Actonel 30 und Actonel 5/35 auf einer im Internet zugänglichen Me-Too-Liste führen und diese Liste den Vertragsärzten ihres Bezirks zugänglich machen darf.

Die Antragstellerin ist pharmazeutische Unternehmerin und bringt u. a. die Risedronsäurehaltigen Arzneimittel Actonel 30 mg Filmtabletten für das Anwendungsgebiet "Morbus Paget" und Actonel 5mg Tabletten, Actonel einmal wöchentlich 35 mg Filmtabletten sowie Actonel 35 mg plus Calcium für den Anwendungsbereich postmenopausale Osteoporose in den Verkehr. Der Wirkstoff Risedronsäure gehört zu der Arzneimittelgruppe der Bisphosphonate, die insbesondere zur Behandlung der Osteoporose, teilweise aber auch im Rahmen der Onkologie Anwendung finden. Zu den Bisphosphonaten zählen die Wirkstoffe Alendronsäure, Risedronsäure, Etidronsäure, Clodronsäure, Ibandronsäure, Zoledronsäure, Pamidronsäure und Tiludronsäure.

Der Begriff Me-Too-Präparat (Synonyme: Analogpräparat bzw. Scheininnovation) wird seit ca. 1982 zur Bewertung von Arzneimitteln verwandt, die zwar einen neuen Wirkstoff enthalten, dieser jedoch dem Wirkstoff bereits zugelassener Medikamente sehr ähnlich ist. Zur Bewertung des Innovationsgrades von Arzneimitteln ist das folgende, seit 1982 unveränderte Klassifikationsschema entwickelt worden:

A. Neuartige Wirkstoffe oder neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz;

B. Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien;

C. Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten;

D. Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesicherte Therapieprinzipien.

Am 21.11.2005 schloss die Antragsgegnerin mit den Krankenkassen eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2006" (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 82 ff). Hiernach wurde das Ausgabenvolumen auf 2,68 Mrd. EUR festgelegt (§ 2). Eine flankierende Zielvereinbarung sieht die Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 Prozentpunkte und die Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um wiederum 5 Prozentpunkte vor (§ 4). Für die einzelne Arztgruppen wird ein Zielwert von 73, 1 % (Nervenärzte) bis zu 87,9 % (HNO-Ärzte) bei den Generika (§ 4 Abs. 1) und von 1,0 % (Chirurgen, Kinderärzte) bis zu 14,3 % (Augenärzte) bei den Me-Too-Präparaten (§ 4 Abs. 2) bestimmt. Ergänzend regelt § 7 Maßnahmen für den Fall, dass das vereinbarte Ausgabenvolumen und/oder die Vorgaben der Zielvereinbarung überschritten werden wie folgt:

(1) "Eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für die Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens 2006 tritt ein, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen insgesamt überschritten wird und der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2006 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt.

(2) Im Falle des Absatzes 1 erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände gegenüber den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von vier Prozent des für das Kalenderjahr 2006 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars."

Dieser Abzug muss im Abrechnungsbescheid gesondert ausgewiesen sein (§ 11 Abs. 1c des Honorarverteilungsvertrages (HVV) vom 31.01.2006, Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 68, 69). Einrede...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge