Entscheidungsstichwort (Thema)

Begrenzter Geltungsbereich des HAuslG für heimatlose Ausländer

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Rechtstellung heimatloser Ausländer - HAuslG - ist nur auf Personen anwendbar, die während des 2. Weltkrieges oder wegen der durch ihn verursachten Macht- und Bevölkerungsverschiebungen fliehen mussten. Sie bezieht sich nur auf Personen, die in der Zeit vom 1. 7. 1948 bis zum 30. 6. 1950 ihren Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des GG oder von Berlin (West) verlegt haben.

2. Nach § 1 Abs. 2 HAuslG steht einem heimatlosen Ausländer i. S. dieses Gesetzes gleich, wer seine Staatsangehörigkeit von einem heimatlosen Ausländer ableitet und am 1. 1. 1991 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte.

 

Normenkette

FRG §§ 1, 5 Abs. 4, § 17; HAuslG § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.11.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), ob die Beklagte mit Bescheid vom 31.07.2002 zu Unrecht die Gewährung einer Regelaltersrente ablehnt hat.

Die am 00.00.1933 in L L geborene Klägerin war nach einem Studium an der Medizinischen Hochschule in S (von 1951 bis 1957) dort und in W (damals UdSSR, heute Lettland) als Ärztin tätig. Im April 1975 reiste sie nach Österreich aus. Dort wurde sie vom IRC (International Rescue committee) unterstützt. Im Juli 1975 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 04.12.1975 wurde die Klägerin als Asylberechtigte gemäß § 28 Ausländergesetz (AuslG) anerkannt. Am 19.08.1985 wurde die Klägerin eingebürgert. Im Versicherungskonto der Klägerin sind Pflichtbeitragszeiten von Juli 1977 bis April 1980 gespeichert.

Einen am 22.04.2002 bei der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover eingegangenen Antrag auf Gewährung einer Regelaltersrente lehnte die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (- BfA -, Rechtsvorgängerin der Beklagten) mit Bescheid vom 31.07.2002 ab, da die Klägerin die Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt habe. Auf die Wartezeit anzurechnen seien lediglich 34 Monate Beitragszeit vom 15.07.1977 bis zum 05.04.1980. Die von der Klägerin in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten und hier geltend gemachten Beitrags- und Beschäftigungszeiten könnten nicht berücksichtigt werden, da sie keinem der Personenkreise angehöre, für die das Fremdrentengesetz (FRG) Anwendung finde.

Nach dem Beitritt Lettlands zur Europäischen Union (EU) bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 09.02.2005 Regelaltersrente ab dem 01.05.2004 in Höhe von damals 121,13 EUR zuzüglich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 8,66 EUR (insgesamt: 129,79 EUR).

Am 01.03.2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung des die Regelaltersrente ablehnenden Bescheides vom 31.07.2002. Der Bescheid sei rechtswidrig, denn es sei nicht berücksichtigt worden, dass sie als "Staatenlose" den Regelungen des FRG unterfalle. Die von ihr in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten hätten Berücksichtigung finden müssen.

Mit Bescheid vom 01.07.2011 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 31.07.2002 ab. Die von der Klägerin in der Zeit vom 01.09.1957 bis zum 24.03.1975 in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Beitragszeiten könnten nicht anerkannt werden, da sie weder zum Personenkreis der Vertriebenen und Spätaussiedler gehöre noch als heimatlose Ausländerin anerkannt sei. Heimatloser Ausländer könne nur sein, wer sich am 30.06.1950 im (damaligen) Bundesgebiet aufgehalten habe. Ein Zuzug nach dem 30.06.1950 könne nicht zur Rechtstellung als heimatloser Ausländer führen, selbst wenn der Betreffende Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention sei (BSG Urteil vom 17.01.1973 - 11 RA 34/72). Die Klägerin sei am 05.04.1975 in das Bundesgebiet zugezogen. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gewährung einer Regelaltersrente seien erst nach Anwendung der zwischenstaatlichen Vorschriften erfüllt. Dies sei der Zeitpunkt, zu dem Lettland der EU beigetreten sei.

Die Klägerin legte am 20.07.2011 Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, sie sei heimatlose Ausländerin im Sinne der §§ 1 Abs 1, 2 Abs 2 u. 3 des Gesetzes über die Rechtstellung heimatloser Ausländer (HAuslG). Ihr sei aus politischen Gründen am 24.03.1975 die Arbeitserlaubnis und die Staatsangehörigkeit entzogen worden und sie habe ausreisen müssen. Nach der Ausreise habe sie der Obhut der internationalen Organisation, die von den Vereinten Nationen mit der Betreuung verschleppter Personen und Flüchtlinge beauftragt gewesen sei, unterstanden. Sie habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach dem 01.07.1948 im Ge...

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