Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. sachliche Zuständigkeit. Überweisungsanspruch. anfängliche Unrichtigkeit der Zuständigkeitsregelung. RAM-Erlass. schwerwiegende Unzuträglichkeit. Kassenärztliche Vereinigung. verwaltende Tätigkeit. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Verwaltungs-Berufsgenossenschaft

 

Orientierungssatz

Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs einer Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber der für sie gem des RAM-Erlasses vom 12.4.1943 zuständigen Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege auf Überweisung ihres Unternehmens gem § 136 Abs 1 S 4, Abs 2 S 1 SGB 7 an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, die deren Sicherheitsfachkräfte im Einvernehmen mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege aus- bzw fortbildet.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 24. April 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Klägerin (KVWL) beansprucht die Überweisung ihres Unternehmens von der beklagten Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege an die beigeladene Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.

Die nach dem zweiten Weltkrieg gegründete Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die gemäß § 77 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, (SGB V) die ihr nach diesen Gesetz übertragenen Aufgaben der vertragsärztlichen Versorgung zu erfüllen hat. Sie ist seit ihrem Bestehen Mitglied der Beklagten. Im Mai 1997 beantragte sie die Überweisung an die Beigeladene. Die Beklagte berief sich auf den Erlass des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 12.04.1943 (Amtliche Nachrichten für die Reichsversicherungs-Ordnung - AN - RGBl II 183), in der versicherte Personen in der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands (KVD) der Beklagten zugeteilt worden sind, und meinte, diese Regelung gelte weiterhin, da eine anderweitige Zuständigkeitsregelung durch Rechtsverordnung gemäß § 122 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, (SGB VII) nicht erlassen worden sei. Dem hielt die Klägerin entgegen, die KVWL nehme ausschließlich Verwaltungstätigkeiten wahr, namentlich die sachliche und rechnerische Überprüfung der von den Vertragsärzten erbrachten ärztlichen Leistungen sowie die Abrechnung dieser Leistungen mit den jeweiligen Krankenkassen. Angesichts dieser verwaltenden Tätigkeiten stehe sie den Krankenkassen gleich und sei ebenso wie diese der Beigeladenen zuzuordnen. Der von der Beklagten für ihre Auffassung in Anspruch genommene Erlass sei nach Art. 123 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG außer Kraft getreten, weil er auf eine gleichheitswidrige Behandlung der beiden an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Institutionen, nämlich einerseits der Kassenärztlichen Vereinigungen, andererseits der Krankenkassen hinauslaufe. Die Beklagte lehnte die Überweisung mit Bescheid vom 07.12.1999 unter Hinweis auf die Entscheidung des RAM vom 12.04.1943 ab. Mit ihrem Widerspruch wiederholte die Klägerin ihr Vorbringen und machte darüber hinaus geltend: Die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Zuordnung zeige sich auch daran, dass die KVWL ihre Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Zustimmung der Beklagten in Kursen der Beigeladenen ausbilden lasse, weil die Beklagte entsprechende Kurse nicht anbiete. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2000 zurück: Die Anordnung des RAM von April 1943 gelte weiter. Eine Überweisung sei nach § 136 Abs. 2 SGB VII nur vorzunehmen, wenn die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig sei, das heiße, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspreche oder der Verbleib zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führte. Hier sei die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an richtig gewesen. Sie habe sich auch nicht geändert.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: Die Voraussetzungen für eine Überweisung nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII seien erfüllt. Ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten widerspreche eindeutig den unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen. Eine Rechtsverordnung über die sachliche Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften gemäß § 122 Abs. 1 SGB VII sei bislang nicht ergangen. Aus dem RAM-Erlass von 1943 lasse sich die Zuständigkeit der Beklagten nicht ableiten. Denn die KVWL sei nicht die dort erfasste "Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands" ebensowenig wie deren Rechts- oder Funktionsnachfolgerin. Weder im Organisationsrecht, d. h. den gesetzlichen Zuständigkeitszuweisungen an die Kassenärztlichen Vereinigungen noch sonst im Vertragsarztrecht gebe es Anhaltspunkte für eine Rechtsnachfolge der Kassenärztlichen Vereinigungen im Hinblick auf die Zuständigkeit der KVD. Abgesehen davon sei es zweifelhaft, inwieweit im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes noch an Verwaltungszuständigkeitsregelungen angeknüpft werden dürfe, die auf typisch nationa...

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