Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschränkung der Klageforderung im Berufungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren. Betragsrahmengebühr. verminderte Geschäftsgebühr. zur Einstufung der anwaltlichen Tätigkeit als "schwierig". Entstehen einer Erledigungsgebühr. Anwendbarkeit des § 14 Abs 2 RVG

 

Orientierungssatz

1. Beschränkt der Kläger während des Berufungsverfahrens die Klageforderung und wird dadurch der Wert des Beschwerdegegenstandes nunmehr unterschritten, so führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Berufung (vgl BSG vom 26.1.2006 - B 3 KR 4/05 R = SozR 4-2500 § 37 Nr 7).

2. § 3 RVG gilt auch für das isolierte Vorverfahren.

3. Ein Rechtsanwalt, der bereits im Verwaltungsverfahren tätig geworden ist, kann für das anschließende Widerspruchsverfahren nur noch die verminderte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 RVG-VV idF bis 30.6.2006 geltend machen.

4. Zur Einstufung der anwaltlichen Tätigkeit als "schwierig".

5. Zu den Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr (hier: Geltendmachung eines besonderen anwaltlichen Tätigwerdens außerhalb dieses Verfahrens).

6. § 14 Abs 2 RVG ist im Rechtsstreit zwischen Gebührenschuldner und dem Erstattungspflichtigen um die Höhe der Erstattung nicht anwendbar (vgl BSG vom 18.1.1990 - 4 RA 40/89 und vom 27.1.2009 B 7/7a AL 20/07 R = SozR 4-1935 § 14 Nr 1).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kosten, die die Beklagte dem Kläger für ein Widerspruchsverfahren erstatten muss.

Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 08. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2004 ab, dem Kläger Anschlussarbeitslosenhilfe ab dem 27. Oktober 2003 zu gewähren, weil er über Lebensversicherungen mit einem Rückkaufwert von 30610,12 EUR verfüge. Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (Az: S 13 AL 92/04) löste der Kläger seine Lebensversicherungen am 30. April 2004 auf, tilgte mit dem Erlös ein Darlehen iHv 25500,00 EUR und verbrauchte den Restbetrag für seinen Lebensunterhalt.

Am 28. Juni 2004 beantragte er nochmals, ihm Arbeitslosenhilfe zu gewähren und schaltete den Klägerbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren ein. Unter Hinweis auf die Lebensversicherungen lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 16. September 2004 ab, gegen den der Kläger am 24. September 2004 Widerspruch erhob.

Nachdem das SG im Klageverfahren S 13 AL 92/04 unter Beteiligung des Klägerbevollmächtigten einen Erörterungstermin durchgeführt hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheiden vom 31. Januar 2006 Arbeitslosenhilfe ab dem 27. Oktober bis zum 31. Dezember 2003 und vom 01. Januar bis zum 27. Juni 2004. Daraufhin erklärte der Kläger das Klageverfahren für erledigt. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte der Klägerbevollmächtigte für das Verfahren vor dem SG nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) eine um ca. 30% erhöhte Mittelgebühr geltend, die die Beklagte anerkannte.

Mit Abhilfe- und Bewilligungsbescheiden vom 31. Januar 2006 nahm die Beklagte ihren Ablehnungsbescheid vom 16. September 2004 zurück, gewährte Arbeitslosenhilfe vom 28. Juni bis zum 31. Dezember 2004 und verpflichtete sich, dem Kläger die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten, "soweit sie notwendig waren und nachgewiesen sind". Daraufhin übermittelte der Klägerbevollmächtigte beiden Beteiligten seine Liquidation vom 08. Februar 2006 und erklärte dem Kläger, "dass er diese Kostenrechnung nicht zu bezahlen" brauche. In der Liquidation machte er gegenüber der Beklagten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) folgende Vergütung geltend:

Geschäftsgebühr, § 14 RVG, Nr 2500 VV RVG 240,00 EUR Zuschlag Haftungsrisiko, § 14 I 3 RVG 50,00 EUR Erledigungsgebühr, § 14 RVG, Nr 1005, 1002 VV RVG 280,00 EUR Zuschlag Haftungsrisiko, § 14 I 3 RVG 50,00 EUR Post- und Telekommunikation 20,00 EUR Zwischensumme 640,00 EUR 16% MwSt, Nr 7008 VV RVG 102,40 EUR Zahlbetrag 742,40 EUR.

Mit Schreiben vom 07. April 2006 bot ihm die Beklagte erfolglos an, seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren mit 200,00 EUR pauschal (incl. MwSt) zu vergüten, weil er den Widerspruch "ohne weitere Begründung" eingelegt habe und im Hinblick auf seine Tätigkeit im Klageparallelverfahren kein eigenständiger Aufwand erkennbar sei. Deshalb sei keine Erledigungsgebühr gerechtfertigt. Zudem sei der Ablehnungsbescheid vom 16. September 2004 möglicherweise kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens geworden und dort zu liquidieren.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 24. Mai 2006 setzte die Beklagte folgende Gebühren fest, die sie an den Klägerbevollmächtigten zahlte:

Geschäftsgebühr, Nr 2501 VV RVG 120,00 EUR Post- und Telekommunikation 20,00 EUR 16% MwSt 22,40 EUR Erstattungsbetrag 162,40 EUR.

Zur Begründung gab die Beklagte an: Nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) Nr 1005, 1002 zum RVG sei keine Erledigungsgebühr entstanden, weil der Bevollmächtigte keine besondere Tätigkeit entfaltet habe, die über das übliche Maß hin...

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