Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen sozialgerichtlicher Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

1. § 33 Abs. 1 S. 1 RVG findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung.

2. §§ 178 S. 1, 197 Abs. 2 SGG sind im Prozesskostenhilfeverfahren nicht anwendbar.

3. Das Beschwerdegericht ist schon mit Einlegung der Beschwerde entgegen § 127 Abs. 1 S. 2 ZPO das zuständige Gericht und nicht das Ausgangsgericht.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 05.11.2007 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antragsteller hat im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) begehrt, die diese wegen der nicht vollständigen Vorlage von Kontoauszügen abgelehnt hatte. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag abgelehnt und auf die Beschwerde des Antragstellers im Wege der Prozeßkostenhilfe den jetzigen Beschwerdeführer dem Antragsteller als Rechtsanwalt für das Beschwerdeverfahren beigeordnet. Nachdem der Antragsteller die fehlenden Kontoauszüge vorgelegt hat, hat die Antragsgegnerin die begehrten Leistungen bewilligt, woraufhin das Verfahren für erledigt erklärt worden ist.

Der Beschwerdeführer hat daraufhin 428,40 Euro (160,00 Euro Verfahrensgebühr, 180,00 Euro Erledigungsgebühr, 20,00 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, 68,40 Euro Mehrwertsteuer) zur Abrechnung gestellt. Der Urkundsbeamte hat die Vergütung auf 124,95 Euro unter Kürzung der Verfahrensgebühr auf 87,50 Euro und Streichung der Erledigungsgebühr herabgesetzt. Das Sozialgericht hat die hiergegen eingelegte Erinnerung zurückgewiesen (Beschluss vom 05.11.2007).

Über die dagegen gerichtete Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter gem. § 56 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 8 S. 1 HS. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. § 33 Abs. 8 S. 1 HS. 2 RVG, wonach auch über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, auch wenn die angefochtene Entscheidung durch den Kammervorsitzenden allein ergangen ist. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG weist die Entscheidung dem Einzelrichter als Mitglied des Gerichts zu. Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts entscheidet jedoch nicht als einzelnes Mitglied der Kammer, sondern lediglich als Kammer in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, denn diese wirken gem. § 12 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist daher keine Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 33 Abs. 8 S. 1 RVG.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht durch §§ 178 S. 1, 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen, wonach das Gericht, das gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten angerufen werden kann, endgültig entscheidet. Diese Bestimmungen sind auf das Prozesskostenhilfeverfahren nicht anwendbar (vgl. LSG NRW v. 21.09.2007 - L 19 B 112/07 AS und ausführlich LSG NW Beschl. v. 09.08.2007 - L 20 B 91/07 AS m.w.N.). Die erforderliche Beschwer von 200,00 Euro (§§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG) ist vorliegend erreicht.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Dabei kann dahinstehen, ob schon mangels wirksamer Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht (höhere) Gebühren vom Beschwerdeführer nicht abgerechnet werden können. Das SG hat "für diesen Rechtszug für die Zeit ab 15.12.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt". Da der Beschwerdeführer sich erst im Beschwerdeverfahren bestellt und für dieses Prozesskostenhilfe beantragt hat, kann die Entscheidung des Sozialgerichts nur dahin verstanden werden, dass das Sozialgericht für das Abhilfeverfahren als Teil des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe gewähren wollte, was auch dem Zeitpunkt der Bewilligung entspricht. Die Zuständigkeit für diese Entscheidung wird schon mit der Einlegung der Beschwerde beim Gericht des ersten Rechtszuges von der herrschenden Meinung allein dem Beschwerdegericht zugewiesen (grundlegend BFH Beschl. v. 10.07.1981 - VII S 8/81 - = BFHE 133, 350; vgl. ferner BFH Beschl. v. 20.04.1988 - X S 13/87 - = BFH/NV 1988, 728; LG Osnabrück Beschl. v. 27.06.2006 - 3 T 167/06 - = NdsRpfl 2006, 273; Philippi in Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 127 Rn. 8). Dem widerspricht allerdings der Wortlaut des § 127 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach das Gericht des höheren Rechtszugs nur zuständig ist, wenn das Verfahren dort anhängig ist, weil mit der Einlegung des Rechtsmittels beim Ausgangsgericht das Verfahren in der Beschwerdeinstanz noch nicht anhängig ist (so auch BFH a.a.O.). Auch erscheint es bedenklich, allein dem für den Rechtsbehelf zuständigen Gericht die funktionelle Entscheidungskompetenz...

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