Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Geschäftsführer in einer GmbH & Co KG. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Orientierungssatz

Zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Geschäftsführern in einer GmbH & Co KG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.07.2020; Aktenzeichen B 12 R 6/19 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 5. Oktober 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als Geschäftsführer der Beigeladenen in der Zeit vom 1. Mai 2014 bis zum 30. April 2016 der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Die Beigeladene stellt Inneneinrichtungen her und vertreibt diese. Komplementär der Beigeladenen ist die J. Geschäftsführungs GmbH, Kommanditisten sind der Kläger, der bei der Gründung der Beigeladenen einen Geschäftsanteil von 20 % hielt, dessen Bruder T. J., der ebenfalls 20 % Geschäftsanteile hielt, sowie der Vater der Brüder, Herr H. J., der bei der Gründung der Gesellschaft einen Anteil von 60 % der Geschäftsanteile hielt. Mit Schenkungsvertrag vom 20. Dezember 2013 erhielt der Kläger weitere 29 % Geschäftsanteile aus dem Anteil seines Vaters H. J. Der Bruder des Klägers war zu diesem Zeitpunkt aus der Gesellschaft ausgeschieden und seine Anteile auf den Vater übertragen. Der Kläger hielt somit seit dem 20. Dezember 2013 49 % der Anteile, sein Vater 51 %. Ebenfalls am 20. Dezember 2013 wurde § 8 Abs. 3 des Kommanditgesellschaftsvertrages, der die Regelungen zur Geschäftsführung und Vertretung enthält, geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt enthielt § 8 in Abs. 3 die Regelung, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Durchführung aller Maßnahmen und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Aus § 16 Abs. 1 des Kommanditgesellschaftsvertrages ergab sich, dass diese Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der angegebenen Stimmen gefasst werden konnten.

Mit Wirkung vom 20. Dezember 2013 wurde § 8 Abs. 3 wie folgt neu gefasst:

„Der geschäftsführende Gesellschafter bedarf zur Durchführung aller Maßnahmen und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen: (…)“.

Nach den Regelungen des Geschäftsführervertrages zwischen der Beigeladenen und dem Kläger war dieser von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. In § 2 war geregelt, zu welchen Geschäften er der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedurfte. In § 5 war geregelt, dass sowohl die Aufnahme von Nebentätigkeiten als auch die Wahrnehmung von Ehrenämtern der Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedurften. Nach § 6 erhielt der Kläger ein Monatsgehalt von 6.000,00 € sowie bei Nachweis die Kosten, die ihm aufgrund der Betreuung seiner noch nicht schulpflichtigen Kinder in Kindergärten, Kindertagesstätten oder vergleichbaren Einrichtungen entstünden. Außerdem hatte er Anspruch auf einen Dienstwagen zur privaten Nutzung. Einen Anspruch auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit bestand nicht. Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung blieb der Gehaltsanspruch für die Dauer von drei Monaten bestehen. Der Urlaubsanspruch betrug nach § 8 24 Werktage. Der Vertrag begann nach § 9 am 1. Mai 2014, wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und war mit einer Frist von sechs Monaten kündbar.

Am 27. August 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Statusfeststellung nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).

Mit Bescheid vom 10. November 2014 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger als abhängig beschäftigter Gesellschafter-Geschäftsführer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestehe nicht, weil die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten wurde.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2015 zurück.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 14. Juli 2015 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Er hat vorgetragen, „Kopf und Seele“ des Betriebes zu sein, dessen Geschicke maßgeblich zu lenken und zu bestimmen. Zu berücksichtigen sei, dass es sich um einen Familienbetrieb handele. Er unterliege bei der Ausführung seiner Tätigkeiten keinerlei Weisungen.

Während des Klageverfahrens wurden dem Kläger am 1. Mai 2016 weitere Gesellschaftsanteile übertragen, so dass er ab diesem Zeitpunkt 85 % der Gesellschaftsanteile hält. Mit Teilanerkenntnis vom 8. September 2016 stellte die Beklagte fest, dass ab dem 1. Mai 2016 kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu der Beigeladenen mehr bestehe. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.

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