Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildungsbedarf. angemessene Lernförderung. Rechtschreibschwäche

 

Orientierungssatz

Das Erreichen der in den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele iS des § 28 Abs 5 SGB 2 nF ist nicht nur bei ungewisser Versetzung, sondern auch bei Nichterreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus gefährdet. Nach § 9 Abs 1 SchulG ND gehört zu den Lernzielen der Hauptschule auch die Stärkung elementarer Kulturtechniken, zu denen auch Fertigkeiten wie Schreiben und Lesen gehören. Schüler mit einem unterdurchschnittlichen Rechtschreibvermögen können insofern auch dann einen Anspruch auf außerschulische Lernförderung haben, wenn die Rechtschreibnote nur zu einem geringen Teil (10 %) in die Gesamtnote einfließt und die Deutschnote daher durchschnittlich (Note 3) ausfällt.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 14. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 14. Dezember 2011 geändert: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die durch die Teilnahme der Antragsteller an der Therapie ihrer Lese- und Rechtschreibschwäche am Lehrinstitut J., K., L. M., entstehenden Kosten in der Zeit vom 7. November 2011 bis 31. Juli 2012 zu übernehmen. Die Therapiemaßnahme hat dabei je Antragsteller einen zeitlichen Umfang von zwei mal zwei Unterrichtsstunden à 45 Minuten pro Woche. Die Leistungsgewährung erfolgt vorläufig und steht unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zur Durchführung einer außerschulischen Lernförderung.

Der am 5. Februar 1998 geborene Antragsteller besucht die 8. Klasse der Hauptschule N. Ganztagsschule in O.. Zuvor besuchte er die Realschule. Aufgrund seiner Lese- und Rechtschreibschwäche, hatte er in dem Zeitraum vom 29. April 2010 bis zum 1. Juli 2011 eine Legasthenietherapie wegen drohender seelischer Behinderung am Institut P. in Q. durchgeführt (§ 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII -). Sein Endjahreszeugnis der 7. Klasse weist für das Fach Deutsch die Note 3 auf. Ausweislich dieses Zeugnisses berechtigt der Notendurchschnitt zum Übergang an die Realschule. Das Halbjahreszeugnis der 8. Klasse weist weiterhin eine 3 in Deutsch, allerdings eine 5 in Chemie auf.

Die am 5. Januar 2000 geborene Antragstellerin besucht die 6. Klasse an der vorgenannten Hauptschule. Ausweislich des Endjahreszeugnisses für die Klasse 5 erreichte sie in Deutsch die Note 3 und wurde in Klasse 6 versetzt.

In den Anträgen auf Lernförderung für die Antragsteller bescheinigte die Schule jeweils einen Lernförderbedarf für den Antragsteller zu 1. für die Klasse 8 in Deutsch und für die Antragstellerin zu 2. für die Klasse 6 in Deutsch, wobei jeweils mitgeteilt wurde, dass im Falle der Erteilung von Lernförderung eine positive Versetzungsprognose bestehe. Es wurde nicht angekreuzt, dass das Erreichen der wesentlichen Lernziele (im Regelfall die Versetzung) gefährdet sei. Befürwortet wurde für beide Antragsteller eine Gruppenförderung, vier Stunden pro Woche.

Beide Kinder haben am 6. September 2011 bei der R. GmbH einen Rechtschreibtest durchgeführt. Aus den Gutachten zu diesen Ergebnissen der Testung ergibt sich für beide Antragsteller ein unterdurchschnittliches Leistungsvermögen. Bei beiden Antragstellern entsprechen - nach den dortigen Ausführungen - die orthographischen Kompetenzen nicht den Alters- und Schulform spezifischen Anforderungen. Es wird ausgeführt, dass über das Fach Deutsch hinaus dies zu Beeinträchtigungen in anderen Schulfächern führen und den Schulabschluss gefährden könne. Es solle daher eine sachkundige Beratung und spezielle pädagogische Förderung in Anspruch genommen werden.

Mit Bescheid vom 1. November 2011 lehnte der Antragsgegner die Kostenübernahme ab, da das wesentliche Lernziel, nämlich die unmittelbare Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe, bei beiden Antragstellern nicht gefährdet sei. Mit dem Widerspruch vom 9. November 2011 wiesen die Antragsteller noch einmal darauf hin, dass über das Fach Deutsch hinaus die Lese- und Rechtschreibschwäche zu Beeinträchtigungen auch in anderen Schulfächern führen könne und der Schulabschluss gefährdet sei. Damit bestünde die Gefahr, dass wesentliche Lernziele nicht erreicht werden könnten.

Am 7. November 2011 haben die Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg beantragt. Es sei nachgewiesen, dass beide Antragsteller an einer Lese- und Rechtschreibschwäche leiden. Die Lernförderung sei zum einen notwendig um die schulischen Erfolge sicherzustellen, im Übrigen aber auch um die spätere Aufnahme eines Ausbildungsplatzes zu ermöglichen. Dies sei ...

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