Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht bzw -freiheit. Geschäftsführer. Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Minderheitsgesellschafter

 

Orientierungssatz

Zur sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung eines GmbH-Geschäftsführers (hier: Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.09.2019; Aktenzeichen B 12 KR 21/19 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende GmbH wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Nachentrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung für die Tätigkeit ihres zu 1. beigeladenen Geschäftsführers im Prüfzeitraum 2009 bis 2012.

Inhaber des Unternehmens war ursprünglich P. N., der Vater des Beigeladenen zu 1. Zum Jahreswechsel 2007/2008 entschloss sich dieser zur Aufspaltung seiner damaligen Einzelfirma. Als Betriebsunternehmen wurde die Klägerin in der Rechtsform einer GmbH gegründet. Die Betriebsmittel blieben im Eigentum des Vaters als Einzelunternehmer, der seinerseits die Anlagegegenstände an die GmbH vermietet.

Gründungsgesellschafter der Klägerin waren P. N. und der Beigeladene zu 1. Von dem Stammkapital der Klägerin in Höhe von 25.000 € übernahm der Vater 60 %, entsprechend 15.000 €, und der Beigeladene zu 1. die restlichen 40 % (vgl. Gesellschaftsvertrag vom 21. Dezember 2007).

Beide Gesellschafter wurden zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt.

Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erhielt der Beigeladene zu 1. von der Klägerin ein monatliches Festgehalt von 3.700 € brutto. Dieses Gehalt wurde auch im Falle einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt (vgl. Erklärung vom 20. August 2012, Bl. I 78 VV).

Mit Bescheid vom 10. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 setzte die Beklagte ausgehend von der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. auf der Grundlage einer nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durchgeführten Betriebsprüfung aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. im Prüfzeitraum 2009 bis 2012 Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (zuzüglich der sog. Umlage U1) in einer Gesamthöhe von 49.788,91 € fest.

Mit der am 2. Juni 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin sich auf eine im Februar 2008 abgeschlossene Stimmrechtsvereinbarung berufen, wonach jeder Gesellschafter über die Hälfte der Stimmrechte verfügen sollte. Für die formale Einräumung einer Mehrheit am Gesellschaftsvermögen der Klägerin zugunsten des Vaters seien steuerrechtliche Erwägungen ausschlaggebend gewesen.

Mit Urteil vom 6. Dezember 2017, der Klägerin zugestellt am 13. Dezember 2017, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu 1. sei abhängig beschäftigt gewesen. Ihm nicht genehme Weisungen habe er als Minderheitsgesellschafter nicht verhindern können. Die privatschriftliche Stimmrechtsvereinbarung aus dem Jahr 2008 sei formnichtig und missachte überdies das Abspaltungsgebot.

Der Beigeladene zu 1. habe von der Klägerin laufend das monatliche Festgehalt in Höhe von 3.700 €, Aufwendungen für eine betriebliche Altersvorsorge sowie Arbeitgeberzuschüsse in Form vermögenswirksamer Leistungen erhalten. Er sei in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden.

Mit der am 10. Januar 2018 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Schon aus steuerrechtlichen Gründen sei es zu empfehlen, dass die dem Gesellschafter-Geschäftsführer gewährten Leistungen nicht hinter den bei einem angestellten Fremdgeschäftsführer üblichen Leistungen zurückblieben. Namentlich die vereinbarte Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall sei als „Selbstverständlichkeit" zu werten, mit denen steuerrechtlichen Vorgaben Rechnung getragen werde. Überdies habe die Klägerin auf die frühere Rechtsauffassung vertrauen dürfen, wonach der Inhaberfamilie angehörende Geschäftsführer auch dann als Selbständige einzustufen seien, wenn sie nur über eine Minderheitsbeteiligung verfügen würden. Auch die Beklagte habe bis 2014 in ihrem Internetauftritt auf Besonderheiten bei Familiengesellschaften hingewiesen.

Im vorliegenden Fall sei von einer „lupenreinen Familiengesellschaft" auszugehen. Auch die Ehefrauen der beiden Geschäftsführer seien in dem Unternehmen tätig.

Darüber hinaus hätten die Gesellschafter über Jahre hinweg die privatschriftlich vereinbarte Stimmrechtsvereinbarung als wirksam gewertet.

Bezogen auf bestimmte Großprojekte verfüge allein der Beigeladene zu 1. über die erforderlichen Sachkenntnisse. Die Gehälter beider Geschäftsführer seien inzwischen deutlich angehoben worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 6. Dezember 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2015 in der Fassung des Widerspr...

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