Entscheidungsstichwort (Thema)

Erklärung der Aufrechnung in Form eines Verwaltungsaktes. Wirksamkeit. Verrechnung. Pfändungsgrenze

 

Orientierungssatz

1. Eine Aufrechnung nach § 51 Abs 2 SGB 1 darf auch in der Rechtsform eines Verwaltungsaktes geschehen.

2. Der Auffassung des Bundessozialgerichts, dass die Beendigung einer Verrechnung zur Erledigung des die Verrechnung aussprechenden Verwaltungsaktes auf andere Weise iS von § 39 Abs 2 SGB 10 führe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen (Entgegen BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R = juris RdNr 13). Eine Erledigung tritt solange nicht ein, wie von dem belastenden Verwaltungsakt noch Rechtswirkungen ausgehen, seine Aufhebung also zu einem rechtlichen Vorteil für den Adressaten führen würde. So liegt es bei Aufrechnungen ebenso wie bei Verrechnungen auch nach deren Beendigung, denn der die Aufrechnung erklärende Verwaltungsakt bildet den Rechtsgrund für das sog “Behaltendürfen„ des nicht zur Auszahlung gelangten Teils der Sozialleistung.

3. Für eine Aufrechnung mit Beitragsansprüchen hat der Gesetzgeber mit § 51 Abs 2 SGB 1 eine Sonderregelung geschaffen, die eine Aufrechnung bis zum Eintritt der Hilfsbedürftigkeit ohne Rücksicht auf Pfändungsgrenzen zulässt (vgl BSG vom 19.1.1978 - 4 RJ 47/77 = BSGE 45, 271 = SozR 1200 § 51 Nr 3).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.03.2013; Aktenzeichen B 13 R 5/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen die Aufrechnung von Altersrentenzahlungen mit Beitragrückständen zur Rentenversicherung.

Mit unangefochten gebliebenem Bescheid vom 17. November 1998 hatte die seinerzeitige LVA Sachsen-Anhalt rückständige Pflichtversicherungsbeiträge in Höhe von 3.350,44 DM (1.713,04 €) für die Zeit von Mai 1992 bis August 1993 festgesetzt, die die Klägerin auch in der Folgezeit nicht beglichen hatte.

Mit Bescheid vom 15. März 2005 gewährte die Beklagte der nach Brandenburg umgezogenen Klägerin vom 1. Mai 2005 an eine Altersrente in Höhe von monatlich 475,97 € und errechnete zugleich eine Nachzahlung für April 2005 in gleicher Höhe. Mit Bescheid vom 22. Juni 2005 teilte sie der Klägerin mit, sie rechne vom 1. September 2005 an die nach dem Bescheid vom 17. November 1998 zu leistenden Beitragszahlungen gegen die laufend zu gewährende Rente wegen Alters auf, und zwar in Höhe von 237,98 € monatlich. Außerdem behalte sie diesen Betrag auch von der Nachzahlung für April 2005 ein. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, es würden Pfändungsfreigrenzen missachtet. Im Übrigen sei über ihr Vermögen mit Beschluss vom 15. August 2002 durch das Amtsgericht Potsdam das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, Pfändungsgrenzen seien wegen der spezialgesetzlichen Regelung in § 51 Abs. 2 SGB I unbeachtlich. Auch das Insolvenzverfahren stehe der Aufrechnung nicht entgegen, da diese den massefreien Rentenanteil betreffe. Seit Januar 2007 behält die Beklagte keinen Teil der Rentenzahlung mehr ein.

Mit der am 21. Februar 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin den Bescheid vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 angefochten, hierzu das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft und Verjährung der Beitragsforderung eingewandt. Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 20. April 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Berechtigung der Beitragsforderung sei wegen bestandskräftiger Festsetzung nicht zu prüfen. Auch eine im Zeitpunkt der Festsetzung bereits eingetretene Verjährung wäre unbeachtlich. Der Aufrechnung stünden Pfändungsfreigrenzen wegen spezialgesetzlicher Regelung in § 51 Abs. 2 SGB I nicht entgegen. Schließlich sei auch das Insolvenzverfahren unbeachtlich, da die danach mögliche Restschuldbefreiung noch nicht eingetreten sei.

Gegen das ihr am 7. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Juli 2007 Berufung eingelegt. Sie vertieft ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und trägt ergänzend vor, das Insolvenzverfahren habe mit einer Restschuldbefreiung geendet. Im Übrigen sei eine Aufrechnung mangels Gegenseitigkeit der Forderungen unzulässig. Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass die vorgenannten Bescheide rechtswidrig waren, weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die vorgelegen haben u...

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