Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherungspflicht bzw -freiheit. Pflegehilfskraft in der ambulanten Pflege. Dienstleistungsvereinbarung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer als Erfüllungsgehilfe eine Dienstleistung für einen Auftraggeber erbringt, die dieser einem Dritten vertraglich als Hauptleistungs-pflicht schuldet, ist typischerweise in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert.

2. Ergeben sich Arbeitsort und/oder -zeit aus den mit einer Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten („aus der Natur der Sache“), spricht dies nicht gegen ein Weisungsrecht (Anknüpfung an BSG vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R = BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, und vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R = BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25).

3. Zur Versicherungspflicht einer Pflegehilfskraft in der ambulanten Versorgung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 aufgehoben, soweit es die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für die Beigeladene zu 2 betrifft.

Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 in ihrer Beschäftigung für die Beigeladene zu 2 am 1., 2., 3., 6. und 7. August 2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten (noch) um die Frage, ob die Beigeladene zu 1 in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 2 an fünf Tagen Anfang August 2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

Die 1960 geborene Beigeladene zu 1 verfügt nach eigenen Angaben über eine Ausbildung als Pflegehelferin. Sie meldete Ende Mai 2012, noch während einer bis zum 31. Juli 2012 dauernden Beschäftigung, ein zunächst im Nebenerwerb, ab dem 1. August 2012 als Haupterwerb ausgeübtes Gewerbe mit der Tätigkeit „Pflege und Betreuung von Alten- und behinderten Menschen“ an. Dies mitteilende Schreiben der Beigeladenen zu 1 aus Juli und Oktober 2012 wertete die klagende Deutsche Rentenversicherung Bund zunächst als Antrag, ihre Versicherungspflicht als Selbständige festzustellen. In diesem Zusammenhang beschrieb die Beigeladene zu 1 ihre Tätigkeit als „Pflege von alten u. behinderten Menschen in ambulanten u. stationären Einrichtungen bundesweit. Bei Personalmangel Aushilfe in verschiedenen Einrichtungen der Altenhilfe nach Bedarf, keine medizinischen Leistungen.“ Weil die Klägerin Zweifel an der Selbständigkeit der von der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeit hegte, bot sie ihr ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) an. Nachdem die Beigeladene zu 1 hierauf nicht reagierte, leitete die beklagte Krankenkasse als für die Beigeladene zu 1 zuständige Einzugsstelle auf Bitten der Klägerin eine Statusprüfung nach § 28h SGB IV ein.

Durch die Vermittlung einer „Agentur für freiberufliche Pflegekräfte“ war die Beigeladene zu 1 - nach ihren Angaben ohne „direkten“ Vertrag - für die (damals noch als Pflegedienst W D GmbH firmierende) Beigeladene zu 2 ab dem 29. Mai 2012 auf der Basis eines Stundensatzes von 18 € (ggf. zzgl. Nacht- und Wochenendzuschlägen) tätig und stellte einen Betrag von 712,13 € für ihre Einsätze vom 1.-3. sowie am 6. und 7. August 2012 in Rechnung. Der Stundensatz einer „fest angestellten“ Pflegehilfskraft der Beigeladenen zu 2 lag bei 9 Euro. (282 GA)

Zu ihrer ab dem 1. August 2012 ausgeübten Tätigkeit gab die Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin bzw. der Beklagten an,

- sie beschäftige nicht regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer/Auszubildenden,

- sie arbeite nicht am Betriebssitz ihres Auftraggebers und habe keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einzuhalten,

- ihr würden keine Weisungen erteilt und ihr Einsatzgebiet könne nicht ohne ihre Zustimmung verändert werden,

- die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskräften durch sie sei nicht von der Zustimmung ihres Auftraggebers abhängig,

- sie sei „für die angegebenen Punkte“ selbst verantwortlich und treffe diesbezüglich eigenständig und unabhängig die notwendigen Entscheidungen,

- sie sei als Pflegekraft für verschiedene Auftraggeber ohne ärztliche Anweisung tätig,

- die Auftragsausführung werde „in der Pflegedokumentation der Patienten u. Einsatzzeitnachweise auf Tourenplan/Dienstplan dokumentiert“,

- Arbeitszeitnachweise würden „geführt u. danach Rechnung erstellt“,

- eine gesonderte Kontrolle werde nicht durchgeführt, wenn die Patienten zufrieden seien,

- die Arbeitszeiten richteten sich nach dem Auftrag, der die Anzahl der Tage und die tägliche Arbeitszeit regele und auch den Einsatzort (stationäre Einrichtung oder - bei ambulanter Versorgung - die Anschriften der Patienten laut Tourenplan) festsetze,

- die Rechnung werde nach der tatsächlichen Arbeitszeit erstellt,

- es finde keine Eingliederung in die Arbeitsorgan...

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