Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme einer Nadelepilation durch eine Elektrologistin/Kosmetikerin

 

Orientierungssatz

Die Krankenkasse ist nicht verpflichtet, die Kosten für eine Nadelepilation zur dauerhaften Entfernung der Barthaare einer transsexuellen Versicherten durch eine Elektrologistin/Kosmetikerin zu übernehmen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2020; Aktenzeichen B 1 KR 19/20 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 19. November 2018 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von nichtärztlichen Nadelepilationsbehandlungen (Elektrokoagulation) zur dauerhaften Entfernung ihrer Bartbehaarung.

Die 1955 geborene Klägerin ist krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Bei ihr liegt ein anerkannter Mann-zu-Frau-Transsexualismus vor.

Mit Schreiben vom 21. März 2016 beantragte sie die Übernahme der Kosten für die Epilation ihrer Barthaare. Ihrem Antrag fügte sie u.a. einen Kostenvoranschlag der Fachkosmetikerin und Elektrologistin S. B. vom 18. März 2016 in Höhe von 21.600,00 Euro (180 Stunden Elektroepilation a 120,00 Euro) bei. Ferner teilte die Kosmetikerin mit, dass die Elektroepilation bei Bedarf durch einen Arzt ihrer Wahl überwacht werden könne.

Mit Bescheid vom 1. April 2016 lehnte die Beklagte die beantragte Leistung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei der Kosmetikerin und Elektrologistin um keine zugelassene Vertragsärztin handele. Leistungen nicht zugelassener Ärzte, Zahnärzte und anderer Therapeuten dürfe sie nicht gewähren. Sie könne sich daher nicht an den Kosten für die Nadel-/Elektroepilationsbehandlung bei der Kosmetikerin beteiligen. Im anschließenden Widerspruchsverfahren hielt die Beklagte mit Schreiben vom 28. Juli 2016 an ihrer Auffassung fest und teilte der Klägerin ergänzend mit, dass sie ggf. die Kosten einer Behandlung durch einen nicht zugelassenen Arzt in Höhe der gesetzlichen Vertragssätze übernehme, wenn die Klägerin keinen Vertragsarzt in ihrer Umgebung finde. Eine Kostenübernahme durch einen nichtärztlichen Leistungserbringer sei weiterhin ausgeschlossen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es gelte der Arztvorbehalt. Dieser Arztvorbehalt beinhalte einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heiltherapeuten. Die von der Klägerin ausgewählte Kosmetikerin und Elektrologistin sei nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Sie dürften deshalb Patientinnen nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln.

Hiergegen hat die Klägerin am 10. November 2016 Klage beim Sozialgericht Neuruppin erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass hinsichtlich der begehrten Epilationsbehandlung eine Versorgungslücke bestehe. Es sei ihr nicht möglich, einen ärztlichen Leistungserbringer zu finden. Es liege insoweit ein Systemversagen vor. Sie sei deshalb berechtigt, einen nichtärztlichen Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen. Diese seien zudem oft „technisch besser ausgestattet und praktischer, erfahrener und erfolgreicher in den Epilationsbehandlungen“, als vergleichbare Arztpraxen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die begehrte Barthaarentfernung durch Elektroepilation (Nadelepilation) zu den Leistungen der Krankenbehandlung gehöre und nur von einem Arzt erbracht werden dürfe. Die Elektroepilation gehöre zum Leistungskomplex „kleinchirurgischer Eingriff I und/oder primäre Wundversorgung und/oder Epilation“ und könne mit der Gebührenordnungsposition 02300 EBM bzw. von Dermatologen mit der Gebührenordnungsposition 10340 EBM abgerechnet werden („Epilation durch Elektrokoagulation im Gesicht und/oder an den Händen bei krankhaftem und entstellendem Haarwuchs“). Als ärztliche Leistung (privatärztlich nach GOÄ-742, 1323) müsse sie von einem Arzt erbracht werden oder wenn sie als Hilfeleistung von anderen Personen erbracht würde, von einem Arzt angeordnet und von ihm verantwortet werden. Dieser Arztvorbehalt schließe es aus, dass die begehrte Leistung von einer Kosmetikerin erbracht werde.

Gegen das ihr am 20. November 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 13. Dezember 2018. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie noch einmal darauf hingewiesen, dass zumindest die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für eine Zustimmung der Beklagten zur Behandlung durch einen geeigneten nichtvertraglichen Leistungserbringer vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 19. November 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 1. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Epilations...

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