Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Abrechnungsbefugnis für einen Physiotherapeuten für manuelle Therapie. Anforderungen an die Qualifikation bei Ausbildung in anderen Ländern der EU. Europarechtskonformität

 

Orientierungssatz

Die Voraussetzung einer bestimmten Qualifikation auch an Anbieter mit Abschlüssen aus anderen Ländern der EU ist legitim und stellt keine Diskriminierung dar (hier: Erteilung einer Abrechnungsbefugnis an einen Physiotherapeuten für die manuelle Therapie nach einer Ausbildung an der Hogeschool van Amsterdam).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.08.2010; Aktenzeichen B 3 KR 9/09 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob dem Kläger die Abrechnungsbefugnis für die manuelle Therapie (MT) zu erteilen ist. Er ist als Physiotherapeut in Berlin zugelassen. Am 21. Februar 2005 beantragte er bei den Beklagten, ihm im Rahmen seiner Berufsausübung auch die Abrechnungsbefugnis für die MT zu erteilen. Er habe an den D Fachhochschulen in Kooperation mit der Hogeschool van Amsterdam den Fachunterricht für MT besucht, und zwar 426 Stunden für MT-E, 496 Stunden MT-W, 111 Stunden für MT-Kines, also insgesamt 1.104 Stunden (Bescheinigung der Hogeschool van Amsterdam vom 2. Januar 2005).

Die Beklagte zu 2) hat dem Kläger mit Schreiben vom 15. Juni 2005 und vom 19. Januar 2005 mitgeteilt, sie könne die begehrte Abrechnungsgenehmigung nicht erteilen. Es handele sich bei der Bildungseinrichtung, an der die nötigen Kenntnisse erworben werden sollten, nicht um eine anerkannte Weiterbildungseinrichtung. Auch im Vertrag zwischen den Beklagten und dem Deutschen Verband für P - Zentralverband der K/P - sei festgelegt, dass nur anerkannte Weiterbildungseinrichtungen zur Abrechnung befähigten. Er habe bei seiner Zulassung als Physiotherapeut mit den Beklagten vereinbart, dass dieser Vertrag Grundlage seiner Tätigkeit sei.

Mit der am 15. März 2006 beim Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe in den Niederlanden mehr als 1.000 Unterrichtsstunden im MT, also weit mehr als im Inland erforderlich, durchlaufen. Er habe die Abschlussprüfung bestanden und erfülle somit die Voraussetzungen für die Abrechnungsfähigkeiten. Die Hogeschool van Amsterdam sei eine geeignete Weiterbildungseinrichtung und die Versagung der Abrechnungsbefugnis allein deswegen, weil diese nicht in Deutschland anerkannt sei, verstoße gegen europäisches Recht.

Die Beklagte ist dem mit dem Vortrag entgegengetreten, zwar sei die Liste der Fortbildungseinrichtungen nicht abschließend. Wenn aber eine dort nicht aufgelistete Einrichtung weiterbilde, müssten die Ausbildungsinhalte näher dargelegt werden, damit eine Vergleichbarkeit überprüft werden könne. Dies sei vom Kläger jedoch unterlassen worden. Auch müsse die Weiterbildung nach Abschluss der Berufsausbildung erfolgen, der Kläger jedoch habe während der Ausbildung zum Physiotherapeuten Stunden in MT ohne gesonderte Abschlussprüfung hierfür und vor der Abschlussprüfung in Physiotherapie besucht. Er verfüge somit über keine den deutschen Regelungen genügende Qualifikation.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 2. Juli 2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

"Die Klage ist zulässig. Insbesondere liegt ein Feststellungsinteresse vor (vgl. hierzu die Entscheidung des Bundessozialgericht - BSG - vom 22. Juli 2004 zum Aktenzeichen B 3 KR 12/04 R, recherchiert in juris).

Die Klage ist unbegründet. Die Beklagten haben es zu Recht abgelehnt, MT Behandlungen des Klägers abzurechnen.

Rechtsgrundlagen des Begehrens, MT Leistungen zu Lasten der Beklagten erbringen und abrechnen zu dürfen, ist § 125 Abs. 1 und 2 SGB V i. V. m. den auf Bundesebene abgeschlossenen Rahmenempfehlungen in der Fassung vom 17. Januar 2005 (die auch unterschrieben wurden), der auf Landesebene abgeschlossene Vertrag zwischen dem V (dem der Kläger angehört) und den Beklagten vom 1. Februar 2002 sowie die Heilmittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Fassung vom 2. April 2005, erlassen auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 6 SGB V. In den Heilmittelrichtlinien sind unter Ziffer 3 A die Maßnahmen der physikalischen Therapie aufgeführt. Nach Ziffer 17 A Abs. 2 wird ausgeführt:

'Für bestimmte Maßnahmen der physikalischen Therapie bedarf es spezieller Qualifikationen, die über die im Rahmen der Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen. Solche Maßnahmen, für deren Durchführung eine zusätzliche, abgeschlossene Weiterbildung/Fortbildung erforderlich ist, ist mit x ) gekennzeichnet.'

Einen solchen Stern trägt die unter Ziffer 17.A.2.7. aufgeführte MT. Diese Vorgaben sind von den Rahmenempfehlungen auf Bundes- und Landesebene umgesetzt worden. Auch der Kläger geht davon aus, ...

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