Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. kein Anfall der Gebühr bei Teilanerkenntnis mit Erledigungserklärung im Übrigen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Teilanerkenntnis mit abschließender Erledigungserklärung im Übrigen führt nicht zu einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr 3106 S 1 Nr 3 VV RVG (juris: RVG-VV).

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gebührenfreien Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltssozietät, begehrt aus der Landeskasse eine höhere Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

Ihre spätere Mandantin, der bereits ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt worden war, beantragte am 1. April 2015 Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz. Die zuständige Behörde stellte mit einem Bescheid vom 18. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2015 einen Grad der Behinderung von 60 fest, lehnte jedoch die Anerkennung von Merkmalen ab. Aufgrund einer Vollmacht vom 19. Oktober 2015 erhob die Antragstellerin im Namen der vietnamesischen Mandantin bei dem Sozialgericht Berlin am 26. Oktober 2015 eine auf die Zuerkennung der Merkzeichen B und G gerichtete Klage. Das Verfahren wurde dort unter dem Aktenzeichen S 119 SB 4967/15 geführt. Das Sozialgericht gewährte der Mandantin mit einem Beschluss vom 12. Januar 2015 „mit Wirkung vom 27. Oktober 2015“ Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen unter Beiordnung der Antragstellerin, die auf Antrag einen Vergütungsvorschuss in Höhe von 202,30 EUR erhielt. Die beklagte Behörde erkannte mit Schriftsatz vom 11. April 2016 einen Grad der Behinderung von 80 und das Merkzeichen G hinsichtlich der Zeit ab dem 1. April 2015 an. Die Antragstellerin nahm dieses Teilanerkenntnis mit einem Schriftsatz vom 30. Mai 2016 „nach umfangreichen Rücksprachen mit der nicht ausreichend Deutsch sprechenden Klägerin sowie deren Sohn“ an und erklärte den Rechtsstreit insgesamt für erledigt.

Die Antragstellerin hat mit einem Schreiben vom 2. September 2015 für das Verfahren S 119 SB 4967/15 die folgende Vergütung geltend gemacht:

Verfahrensgebühr

Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Terminsgebühr

Nr. 3106 VV RVG

270,00 EUR

Erledigungsgebühr

Nr. 1006 VV RVG

300,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale

Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

890,00 EUR

Umsatzsteuer

Nr. 7008 VV RVG

169,10 EUR

Gesamtbetrag

1.059,10 EUR

abzüglich Vorschuss

- 202,30 EUR

Zahlbetrag

856,80 EUR

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Vergütung mit einem Beschluss vom 25. November 2016 folgendermaßen festgesetzt:

Verfahrensgebühr

Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Erledigungsgebühr

Nr. 1006 VV RVG

300,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale

Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

(Zwischensumme

620,00 EUR)

Umsatzsteuer

Nr. 7008 VV RVG

117,80 EUR

Gesamtbetrag

737,80 EUR

abzüglich Vorschuss

- 202,30 EUR

Zahlbetrag

535,50 EUR

In der Begründung des Beschlusses heißt es, dass eine fiktive Terminsgebühr nicht entstanden sei, weil es sich nur um ein Teilanerkenntnis gehandelt habe.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin am 7. Dezember 2016 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, eine fiktive Terminsgebühr falle auch dann an, wenn ein Teilanerkenntnis angenommen und anschließend der Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt werde.

Das Sozialgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 21. März 2017 zurückgewiesen und sich zur Begründung auf Beschlüsse von Landessozialgerichten bezogen.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 29. März 2017 unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2017 aufzuheben und den Zahlbetrag ihrer Vergütung aus der Landeskasse unter Änderung des Beschlusses der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 25. November 2016 auf 856,80 EUR festzusetzen.

Der Antragsgegner hat sich nicht weiter geäußert und keinen Antrag gestellt.

Nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten hat der Berichterstatter die Sache mit Beschluss vom 29. August 2017 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet nach der Übertragung der Sache gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 2 und Satz 3 RVG sowie § 33 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgehalten hat, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Erinnerung zu Recht zurückgewiesen. Diese ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Rechtsanwaltsvergütung. Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 45 Abs. 1 RVG.

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 R...

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