Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Gegenstand des Berufungsverfahrens gem § 96 SGG. gesetzliche Unfallversicherung. Berufungsverfahren gegen Veranlagungsbescheid nach altem Gefahrtarif. neuer Veranlagungsbescheid nach neuem Gefahrtarif. Berufsgenossenschaft für Bauwirtschaft. "1. Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft" zur Gefahrtarifstelle 500

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der nach einer neuen Gefahrtarifsatzung erlassene Veranlagungsbescheid des Unfallversicherungsträgers wird nicht gem § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens der Anfechtungsklage des Unternehmers gegen einen Veranlagungsbescheid für eine vorhergegangene Gefahrtarifperiode einer abgelaufenen Gefahrtarifsatzung.

2. Die Regelung im "1. Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft" zur Gefahrtarifstelle 500 ist nicht unwirksam; die darin vorgenommene Abgrenzung des Gewerbezweigs "Abbruch, Entsorgung, Sprengung" verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und berücksichtigt hinreichend versicherungsrelevante Tatsachengrundlagen und versicherungsmathematische Grundsätze.

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 07.11.2016; Aktenzeichen 1 BvR 574/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2011 wird als unzulässig abgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin von der Beklagten ab dem Beitragsjahr 01.01.2006 zu Recht nach der Gefahrtarifstelle 500 (Abbruch, Entsorgung, Sprengung) veranlagt worden ist.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Abbrucharbeiten, Erdarbeiten und Verwertung (Recycling) mit eigenem Fuhrpark vornimmt. Vor der hier streitigen Veranlagung war die Klägerin zuletzt als Mitgliedsunternehmen der T., einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, nach deren ab 01.01.2003 gültigem Gefahrtarif, mit Veranlagungsbescheid vom 04.02.2003 unter der Gefahrtarifstelle 26010 (Abbruch, Enttrümmerung) mit der Gefahrklasse 8,5 und unter der Gefahrtarifstelle 28130 (Büroteil) mit der Gefahrklasse 1,0 veranlagt worden.

Nach Fusion von acht B.-Berufsgenossenschaften trat mit Wirkung zum 01.05.2005 die Fusionssatzung der Beklagten in Kraft. Danach galt bis zum 31.12.2005 in dem bisherigen Zuständigkeitsbereich der T. deren zum 01.01.2003 in Kraft getretener Gefahrtarif weiter.

Auf der Grundlage einer am 26.08.2005 und 27.09.2005 durchgeführten Lohnbuchprüfung ging die Beklagte davon aus, dass die Klägerin überwiegend Abbrucharbeiten durchführe (Prüfbericht vom 04.10.2005). Mit Bescheid vom 09.12.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 01.01.2006 nach dem “1. Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, gültig ab 01.01.2006„ unter der Gefahrtarifstelle 500 (Abbruch, Entsorgung, Sprengung) mit Gefahrklasse 22,9 bzw. 27,3 ab 01.01.2007 und unter der Gefahrtarifstelle 900 (Büroteil des Unternehmens) mit Gefahrklasse 1,0.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der nicht begründet wurde. Die Klägerin hatte auch gegen den Beitragsbescheid der T. vom 25.04.2005 zum Beitragsjahr 2004, gegen Beitragsänderungsbescheide jeweils vom 05.10.2005 betreffend die Beitragsjahre 2000, 2001, 2003 und 2004 sowie gegen die Ablehnung der beantragten Überweisung an die Bezirksverwaltung Böblingen Widerspruch eingelegt. Mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 23.02.2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche zurück. Hinsichtlich des Widerspruchs gegen den Veranlagungsbescheid wurde ausgeführt, die im Unternehmen der Klägerin schwerpunktmäßig ausgeführten Tätigkeiten unterfielen der Gefahrtarifstelle 500. Die Voraussetzungen für eine gesonderte Veranlagung weiterer Unternehmensteile seien weder nachgewiesen noch im Rahmen der Lohnbuchprüfung festgestellt worden. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klägerbevollmächtigten nach vorausgegangener fehlerhafter Zusendung erneut am 30.11.2006 zugesandt.

Die Klägerin erhob am Dienstag, dem 02.01.2007, Klage vor dem Sozialgericht Ulm mit dem Begehren die Beitragsbescheide und den Veranlagungsbescheid aufzuheben sowie die Überweisung vorzunehmen.

Die Beteiligten schlossen in dem gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 27.11.2006 (S 2 U 2690/04) gerichteten Berufungsverfahren L 6 U 1756/07 am 10.12.2009 vor dem Landessozialgericht einen Vergleich auch über den gleichzeitig noch vor dem Sozialgericht anhängigen Streitstoff, wovon der angefochtene Veranlagungsbescheid aber ausgenommen worden war.

Gegen den noch streitigen Veranlagungsbescheid trug die Klägerin zuletzt vor, die Beiträge seien ab 01.01.2006 von 8,5 auf 22,9 und ab 01.01.2007 auf 27,3 gestiegen. Hierin liege ein Verstoß gegen die Regel, eigenständige Gefahrtarifstellen im Rahmen einer Gefahrklasse zu bilden. Es werde nicht berücksichtigt, dass der gesamte Fuhrpark/Transport und die Recyclinganlage geringere Gefahren aufweise. Außerdem dürfe eine Gefahrenklasse, wie die Sprengung...

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