Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Prüfgremium. Kürzungsermessen. Horizontalvergleich. Regelprüfmethode. offensichtliches Mißverhältnis. Anfängerpraxis. hoher Anteil von Aussiedlern oder Ausländern. Praxisbesonderheit. Höhe des Kürzungsbetrages. Ermessensspielraum der Prüfgremien
Leitsatz (amtlich)
Die Prüfgremien üben das ihnen eingeräumte Kürzungsermessen nicht fehlerhaft aus, wenn sie trotz eines festgestellten erheblichen unwirtschaftlichen Mehraufwandes von einer Kürzung absehen, weil der Zahnarzt zeitlich noch keine Möglichkeit hatte, auf eine vorhergehende Beratung zu reagieren.
Orientierungssatz
1. Der Horizontalvergleich, also die statistische Prüfung anhand eines Vergleiches der Abrechnungswerte des Zahnarztes mit denjenigen der Fachgruppe im selben Quartal, ist seit dem 1.1.1993 nach der Rechtsprechung des BSG die Regelprüfmethode. Der Horizontalvergleich hat Vorrang vor anderen Prüfmethoden (vgl ua BSG vom 9.9.1998 - B 6 KA 50/97 R = SozR 3-2500 § 106 Nr 45).
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Prüfungsausschuss die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung von 50 % gezogen hat (vgl ua BSG vom 2.6.1987 - 6 RKa 23/86 = SozR 2200 § 368n Nr 48).
3. Anfangsschwierigkeiten stellen keine Praxisbesonderheit dar; denn auch der Praxisanfänger hat seine Behandlung wirtschaftlich durchzuführen.
4. Ein hoher Anteil von Aussiedlern/Ausländern unter den Patienten, der einen erhöhten Behandlungsaufwand nach sich gezogen hat, kann als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden, wenn ein gegenüber der Behandlung von Patienten inländischer Herkunft deutlich erhöhter Leistungsbedarf sich ableiten läßt (vgl BSG vom 10.5.2000 - B 6 KA 25/99 R = SozR 3-2500 § 106 Nr 49).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Honoraranforderung des Beigeladenen Nr. 2 für das Quartal 4/96 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise zu kürzen ist.
Der Beigeladene Nr. 2 ist in V als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen und nahm seine vertragszahnärztliche Tätigkeit am 4.10.1995 auf. Seine Fallzahl im Quartal 4/96 betrug 250 Versicherte im Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen, 47 Versicherte im Bereich der prothetischen Leistungen sowie 19 Versicherte im Bereich der Parodontose-Behandlungen. Die Honorarforderung betrug für die konservierend-chirurgischen Leistungen insgesamt DM 62.868,04 (= DM 251,47 pro Fall; Fallkosten-Durchschnitt im Bereich der Beigeladenen Nr. 1: DM 115,21), für die prothetischen Leistungen insgesamt DM 67.719,09 und für die Parodontose-Leistungen insgesamt DM 21.895,27. Der gemäß der Prüfvereinbarung gebildete Vorprüfungsausschuss beantragte die individuelle Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Beigeladenen Nr. 2 für das Quartal 4/96 (Schreiben vom 21.4.1997).
Der Prüfungsausschuss nahm keine Kürzungsmaßnahme vor (Bescheid vom 8.7.1998). Er verwies auf den bestandskräftigen Bescheid vom 15.10.1997 betreffend das Quartal 3/96, in welchem keine Kürzungsmaßnahmen getroffen wurden, sondern lediglich ein Hinweis hinsichtlich der Nr. Z 49 ( Exc1 ) BEMA erteilt wurde, und führte weiter aus, die Zahlen aus der Zahnarztstatistik erlaubten den Schluss, dass sich die Praxisbesonderheiten im Vergleich zum bestandskräftigen Bescheid des Vorquartals nicht verändert hätten. Nach wie vor handele es sich um eine Anlaufpraxis mit geringer Scheinzahl und unterversorgtem Patientenklientel. Da eine Reaktionsmöglichkeit durch den Beigeladenen Nr. 2 seit Erlass des Prüfbescheids vom 15.10.1997 in Bezug auf den vorliegenden Prüfzeitraum nicht bestanden habe, sei eine anders lautende Entscheidung, als analog zu verfahren, nicht zu treffen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte zurück (Bescheid vom 3.11.1999) mit der Begründung, nach ständiger Spruchpraxis bei den Prüfgremien der Beigeladenen Nr. 1 erfolgten unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung des BSG nur dann Verschärfungen bzw. Kürzungen nach Hinweisen, wenn der betroffene Zahnarzt trotz Reaktionsmöglichkeit seine unwirtschaftliche Behandlung fortsetze. Eine Ausnahme von dieser Regel sei im vorliegenden Fall nicht angezeigt, da die statistischen Vergleichszahlen im Quartal 4/96 durchaus mit denen des Ausgangsquartals vergleichbar gewesen seien und eine Reaktionsmöglichkeit nicht bestanden habe.
Gegen den seinem Ortsausschuss F am 12.11.1999 zugestellten Bescheid des Beklagten hat der Kläger am 13.12.1999 (Montag) Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, der Beklagte übersehe die Entscheidung des BSG vom 9.3.1994 -- 6 KA 17/92 --, in der das BSG darauf hinweise, dass es keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts gebe, dass bei Überschreitunge...