Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Bemessungsentgelt. Nichtberücksichtigung von vorzeitig ausgezahltem Jubiläumsgeld bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag. Betriebsvereinbarung. Berücksichtigung aufgrund rechtswidriger Verwaltungspraxis. Vorrang der Gesetzesbindung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vor dem Erreichen des Dienstjubiläums ausgezahltes Jubiläumsgeld, das gemäß Betriebsvereinbarung aufgrund der früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag ausgezahlt worden ist, bleibt bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes außer Betracht.

2. Aus einer in anderen Agenturen für Arbeit in gleichgelagerten Fällen möglicherweise geübten abweichenden Verwaltungspraxis lässt sich auch unter Heranziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes kein Anspruch auf Erhöhung des Bemessungsentgelts ableiten (Vorrang der Gesetzesbindung, kein Fall der Selbstbindung der Verwaltung).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.09.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2022 unter Berücksichtigung eines von der Arbeitgeberin ausgezahlten Jubiläumsgeldes.

Der 1957 geborene Kläger war seit dem 01.07.1981 bis zum 30.11.2020 bei der D1 AG beschäftigt. Im Februar 2019 schloss der Kläger mit der D1 AG einen Altersteilzeitvertrag (ATZ-Vertrag). Nach § 1 Nr. 1 ATZ-Vertrag sollte das bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 01.12.2019 als Teilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt werden und das Beschäftigungsverhältnis nach § 1 Nr. 2 ATZ-Vertrag spätestens zum 30.11.2020 enden. Die Vertragsparteien gingen nach § 1 Nr. 2 ATZ-Vertrag davon aus, dass ab dem Folgetag eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung mit Abschlägen bezogen werden könne. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit habe nach § 3 Nr. 1 ATZ-Vertrag 20 Stunden betragen sollen, wobei in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (01.12.2019 bis 31.05.2020) weiterhin 40 Stunden zu leisten gewesen seien und in der zweiten Hälfte eine Freistellungsphase habe folgen sollen. Zur Vergütung wurde geregelt, dass diese auf Grundlage des Arbeitsvertrages, sowie der aktuellen Entgeltgruppen- und Bandzuordnung aufgrund der reduzierten Arbeitszeit angepasst und zusätzlich gemäß einer Gesamtbetriebsvereinbarung aufgestockt werde (§ 4 ATZ-Vertrag). Für weitere Einzelheiten wird auf den ATZ-Vertrag verwiesen. Die vorgenannten Vereinbarungen des ATZ-Vertrags wurden durch die Beteiligten ab dem 01.12.2019 umgesetzt.

Am 04.09.2020 beantragte der Kläger mit Wirkung zum 01.12.2020 Arbeitslosengeld. Er gab an, dass er und seine Ehefrau keine Kinder hätten und dass zu Beginn des Jahres die Lohnsteuerklasse 3 für ihn gegolten habe. In der von der Arbeitgeberin erteilten Arbeitsbescheinigung wurde u.a. eine als Jubiläumsgeld benannte Einmalzahlung an den Kläger im November 2020 in Höhe von 20.043,67 € aufgeführt. Zusätzlich zu dem Jubiläumsgeld bescheinigte die Arbeitgeberin dem Kläger im Zeitraum vom 01.12.2019 bis zum 30.11.2020 laufendes Arbeitsentgelt in Höhe von 59.288,28 € und Einmalzahlungen in Höhe von 1.843,74 €. Ausweislich des Gesprächsvermerks vom 27.05.2020 meldete sich der Kläger an diesem Tag telefonisch arbeitssuchend und teilte mit, dass er sich dem Arbeitsmarkt in Teilzeit mit 15 Stunden pro Woche zur Verfügung stelle.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 08.12.2020 zunächst vorschussweise Arbeitslosengeld, welches sie ausgehend von einem täglichen Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum vom 01.12.2019 bis zum 30.11.2020 von 167,03 € berechnete. Der Kläger wolle nicht mehr die im Bemessungszeitraum angefallenen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden leisten. Das Bemessungsentgelt vermindere sich deshalb entsprechend dem Verhältnis der dem Kläger aktuell möglichen wöchentlichen Arbeitsstunden (15 Stunden) zu den früher geleisteten (20 Stunden). Das Bemessungsentgelt belaufe sich daher auf 125,27 € und das tägliche Leistungsentgelt auf 89,62 €.

Der Kläger teilte mit E-Mail vom 14.12.2020 mit, sich dem Arbeitsmarkt künftig im Umfang von 40 Stunden pro Woche zur Verfügung stellen zu wollen. Zudem habe sich die Höhe des Jubiläumsgeldes tatsächlich auf 24.732,50 € belaufen, was sich auch aus der entsprechenden Verbeitragung zur Arbeitslosenversicherung laut Verdienstabrechnung ergebe.

Mit Bescheid vom 15.12.2020 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.12.2020 für 720 Kalendertage Arbeitslosengeld. Bei der Berechnung der Leistungshöhe wurde für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 13.12.2020 ein Bemessungsentgelt in Höhe von 125,27 € zugrunde gelegt und anschließend ein Bemessungsentgelt in Höhe von 167,03 €. Davon ausgehend bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages ...

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