Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung von Beitragsforderungen und anteiligen Säumniszuschlägen der Sozialversicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Vorsätzlich vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der akzessorischen Säumniszuschläge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.

2. Beiträge werden i. S. des § 25 Abs. 1 SGB 4 vorsätzlich vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführt. Dabei genügt es, dass der Beitragspflichtige die Verletzung seiner Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt.

3. Hierzu ist erforderlich, dass der innere subjektive Tatbestand im Einzelfall feststellbar ist. Allgemeine Erwägungen sind nicht geeignet, Vorsatz im Einzelfall belegen zu können.

4. Die Berufung auf die eingetretene Verjährung ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kann nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. April 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2004 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf Euro 3.977,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das klagende Land (im Folgenden: Kläger) Säumniszuschläge in Höhe von Euro 3.977,00 wegen der verspäteten Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu entrichten hat.

Die am 1965 geborene Beigeladene war vom 01. Februar 1995 bis 24. Juli 1996 als Realschullehreranwärterin als Beamtin auf Zeit beim Kläger beschäftigt. Am 24. Juli 1996 bestand sie die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen. Der Vorbereitungsdienst und das Beamtenverhältnis endeten mit Bekanntgabe des Bestehens der Prüfung am 24. Juli 1996. Nach dem Ende des Anwärterverhältnisses schied sie ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus den Diensten des Klägers aus. Unter Hinweis hierauf wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 1996 an sie und führte aus, er sei verpflichtet zu prüfen, ob für die bei ihm zurückgelegten versicherungsfreien Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung Nachversicherungsbeiträge an den zuständigen Versicherungsträger entrichtet werden müssten. Ein Nachversicherungsangebot an den Versicherungsträger könne nur erfolgen, wenn Aufschubgründe nach § 184 Abs. 2 bis 4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nicht entgegenstünden. Sie (die Beigeladene) werde deshalb gebeten, einen beiliegenden Vordruck vollständig auszufüllen und zurückzusenden. Den ihr übersandten Vordruck füllte die Beigeladene am 31. Juli 1996 aus und übersandte ihn dem Kläger (Eingang bei Landesamt für Besoldung und Versorgung am 01. August 1996). Die Beigeladene gab an, sie habe die feste Absicht, innerhalb von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis zum Kläger eine andere versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen, die beabsichtigte Aufnahme einer anderen versicherungsfreien Beschäftigung sei objektiv nicht zu erwarten. Ergänzend führte sie aus, sie wünsche eine Beschäftigung als Realschullehrerin in Baden-Württemberg. Angesichts der momentanen Beschäftigungssituation sei eine solche Beschäftigung objektiv nicht sicher. Mit Schreiben vom 06. August 1996 übersandte der Kläger der Beigeladenen eine Arbeitsbescheinigung. Eine weitere Bearbeitung der Abführung von Nachversicherungsbeiträgen für die Beigeladene unterblieb zunächst. Erst mit Schreiben vom 23. Juli 2003 übersandte der Kläger der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), eine Nachversicherungsbescheinigung für die Beigeladene. Er berechnete die Nachversicherungsbeiträge ausgehend von der Gesamtsumme der dynamisierten Entgelte in Höhe von Euro 28.361,15 und einem Beitragssatz zum Zeitpunkt der Zahlung von 19,5 vom Hundert (v.H.) auf Euro 5.530,42. Diesen Betrag überwies er an die Beklagte (Wertstellung 28. Juli 2003).

Mit Bescheid vom 20. August 2004 erhob die Beklagte vom Kläger Säumniszuschläge auf Nachversicherungsbeiträge in Höhe von Euro 3.977,00. Die Beigeladene sei ohne Anspruch und Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung am 24. Juli 1996 ausgeschieden. Die Nachversicherungsbeiträge seien am 25. Juli 1996 fällig geworden. Die Nachversicherungsbeiträge seien tatsächlich mit Wertstellung am 28. Juli 2003 eingegangen. Unter Berücksichtigung des Rundschreibens des Bundesministers des Inneren vom 27. April 1999, wonach der Nachversicherungsschuldner spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden aus der Beschäftigung über den Aufschub oder die Durchführung der Nachversicherung entscheiden solle, sei im vorliegenden Fall der Fälligkeitstag im S...

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