Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. direkte Abrechnung mit Personenbeförderungsunternehmen. Ermittlung des preisgünstigsten Anbieters im Wege einer Internet-Ausschreibung. Nichtanwendung der Vergabevorschriften nach den §§ 97ff GWB. kein Missbrauch nach § 19 Abs 1 GWB. Vereinbarung von Höchstpreisen verletzen Leistungserbringer nicht in ihren Rechten

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 133 SGB 5 lässt eine direkte Abrechnung zwischen Krankenkassen und Personenbeförderungsunternehmen nur dann zu, wenn zuvor entsprechende Preisvereinbarungen getroffen worden sind.

2. Eine Krankenkasse darf im Wege einer Internet-Ausschreibung den preisgünstigsten Anbieter für Kranken-Sammelfahrten ermitteln. Die Vergabevorschriften der §§ 97ff GWB finden dabei keine Anwendung; aus der seit 1.4.2007 geltenden Neufassung von § 69 SGB 5 folgt, dass neben §§ 19 bis 21 GWB keinen anderen Vorschriften des GWB im SGB 5 Geltung zukommen soll.

3. Ein nach dem SGB 5 vom Gesetzgeber den Krankenkassen vorgeschriebenes Verhalten ist grundsätzlich nicht missbräuchlich iS von § 19 Abs 1 GWB.

 

Orientierungssatz

Die Vereinbarung von Höchstpreisen für Krankenfahrten verletzen die betroffenen Leistungserbringer nicht in ihren Rechten aus Art 12 Abs 1 GG.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.12.2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Modalitäten und Preise von Krankenfahrten (Patientenfahrten) für gesetzlich Krankenversicherte.

Die Antragstellerin betreibt ein Taxiunternehmen, das sich vor allem im Landkreis R.-M., aber auch in angrenzenden Landkreisen einschließlich der Stadt S. betätigt; durchgeführt werden u.a. Fahrten gesetzlich Krankenversicherter zu Ärzten, Krankenhäusern oder anderen Behandlungseinrichtungen (Krankenfahrten).

Über die Leistungserbringung gem. §§ 60, 133 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. Durchführung und Vergütung von Krankenfahrten im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes haben der Verband der Taxi-Mietwagenunternehmen, Region S., der Verband des Württembergischen Verkehrsgewerbes, der Verband des Verkehrsgewerbes Südbaden und der Verband des Verkehrsgewerbes Nordbaden mit den Landesverbänden der Krankenkassen (u. a. der Antragsgegnerin) am 24.4.2002 einen Rahmenvertrag geschlossen (SG-Akte S. 10). Dieser gilt (nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen) für die Mitgliedskassen der Krankenkassenverbände und die Mitglieder der Verkehrsverbände, die Krankenfahrten im konzessionierten Taxen- und Mietwagenverkehr durchführen (§ 1). Vertragsgegenstand sind Durchführung und Vergütung von Krankenfahrten der Versicherten, wenn diese von der Zahlung der Fahrtkosten befreit sind bzw. (unter zusätzlichen Voraussetzungen) wenn eine stationäre oder vor-/nachstationäre Krankenhausbehandlung, eine ambulante Operation, Chemo- oder Strahlentherapie oder eine ambulante Rehabilitation durchgeführt werden (§ 2). Die Zulassung der an der Vereinbarung mitwirkenden Unternehmen und das Zulassungsverfahren regeln Bestimmungen in § 4 und 5 des Rahmenvertrags. § 7 Rahmenvertrag legt die Verpflichtung der Unternehmer fest, die Krankenfahrten nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zeit-, sach- und verkehrsgerecht durchzuführen; das gilt auch für Gemeinschaftsfahrten. Der Versicherte hat außerdem grundsätzlich die Wahl unter den zugelassenen Unternehmen. Dialysefahrten und Serienfahrten sollen vorher genehmigt werden. Gem. § 12 tritt der Rahmenvertrag am 1.4.2002 in Kraft und wird auf unbefristete Zeit geschlossen. Er kann mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalenderjahres, frühestens zum 31.12.2004, gekündigt werden. Die Vereinbarung erlischt, ohne dass es einer Kündigung bedarf, für den Fall, dass eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen für die Übernahme von Fahrtkosten durch die Krankenkasse erfolgt (§ 12 Nr. 2).

Bestandteil des Rahmenvertrags (als dessen Anlage 2) ist eine Preisvereinbarung. Danach bestimmen sich die Beförderungsentgelte für Fahrten innerhalb des Tarifgeltungsbereichs nach dem jeweiligen durch Rechtsverordnung erlassenen Taxitarif (I Nr. 1 Preisvereinbarung). Für Personenbeförderungen, die außerhalb des Tarifgeltungsbereiches beginnen oder enden, berechnet sich die Vergütung nach Abschnitt II der Preisvereinbarung: Der Grundpreis beträgt dann 2,00 €, der Streckentarif je Kilometer 0,70 €. Bei Serien- und Dialysefahrten beträgt der Grundpreis (ebenfalls 2,00 €), der Streckentarif beträgt 0,60 €.

Im Zuge der Verhandlungen über einen neuen Rahmenvertrag wurde in einer Protokollnotiz vom 15.7.2005 (zunächst) festgehalten, dass der Rahmenvertrag nebst Anlagen auf Grundlage der zum 1.1.2004 eingetretenen gesetzlichen Änderungen im SGB V unverändert weiter gelten soll bis die Verhandlungen abgeschlossen sind oder eine Partei das Scheitern der Verhandlungen erklärt (SG-Akte S. 56). In einer weiteren Protokollnotiz vom ...

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