Tenor

  • 1.

    Die Klage wird abgewiesen

  • 2.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  • 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend.

Die Klägerin und der Beklagte sind Geschwister und Kinder von ..., die am ... starb, ohne über ihren Nachlass testamentarisch zu verfügen. Der Beklagte ist Erbe von .... Im Jahr 1972 bestand das Vermögen von ... im Wesentlichen aus zwei mit jeweils einem Haus bebauten Grundstücken. Durch notariellen "Überlassungsvertrag mit Auflassung" vom 15.6.1972 überließ ... der Klägerin das Grundstück in .... Im notariellen Vertrag wurde hierzu folgendes vereinbart:

"Die Überlassung erfolgt unentgeltlich, also schenkungsweise.

Die Überlassung des Vertragsgrundstückes an Frau ... erfolgt jedoch in Abwendung ihrer sämtlichen Erbansprüche an dem seinerzeitigen mütterlichen Nachlass.

Aus diesem Grund verzichtet hiermit Frau ... geborene ..., auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht an dem seinerzeitigen Nachlass ihre Mutter, Frau ..., geborene ....

Frau ..., geborene ..., nimmt diesen Verzicht, der auf die Abkömmlinge der Verzichtenden gilt, hiermit an."

Mit ... "Überlassungsvertrag mit Auflassung" vom 22.6.1972 überließ ... das andere Grundstück in ..., unentgeltlich dem Beklagten. Dieser verzichtete auf "sein künftiges Pflichtteilsrecht an dem seinerzeitigen Nachlass seiner Mutter". Auf das gesetzliche Erbrecht verzichtete der Beklagte jedoch ausdrücklich nicht.

In der Folgezeit gelangte ... in das Eigentum verschiedener Vermögensgegenstände. Sie schenkte dem Beklagten 1999 mehrere Äcker und im Jahre 2000 ein weiteres Hausgrundstück. Als sie starb, war kein nennenswerter Aktivnachlass vorhanden.

Die Klägerin behauptet, das dem Beklagten im Jahr 2000 geschenkte Haus habe zur Zeit des Erbfalls einen Verkehrswert ... von 150.000,00 EUR gehabt. Die Ackergrundstücke seien 20.226,00 EUR wert gewesen. Sie meint, ihr Pflichtteilsergänzungsanspruch sei durch ihren 1972 erklärten Verzicht auf den gesetzlichen Erbteil nicht ausgeschlossen. Derartige Abfindungsverträge bezögen sich nämlich regelmäßig nur auf das gegenwärtige Vermögen und würden deshalb keinen Verzicht auf die Beteiligung am künftigen Vermögen des Übergebenden beinhalten. Auch ihr 1972 erklärter Pflichtteilsverzicht gelte nur hinsichtlich des zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Vermögens.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verpflichtet, einen Betrag von 42.556,50 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Er beruft sich auf den von der Klägerin 1972 erklärten Erbverzicht. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von der eindeutigen Erklärung der Klägerin lediglich der damalige Vermögensstatus der Erblasserin erfasst sein sollte und nur ein "teilweiser Erbverzicht" gewollt gewesen sei. Hilfsweise trägt er vor, die Klägerin müsse sich jedenfalls das anrechnen lassen, was ihr selbst von ... schenkungsweise zugewandt worden sei, nämlich das im Jahr 1972 überlassene Hausgrundstück.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Beweis wurde nicht erhoben.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. §§2325 ff. BGB, weil sie nicht pflichtteilsberechtigt ist.

Das ursprüngliche Pflichtteilsrecht der Klägerin ist nämlich durch ihren in der notariellen Urkunde vom 15.6.1972 erklärten Erbverzicht entfallen. Die Klägerin erklärte dabei ausdrücklich ihren Verzicht auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Dabei handelt es sich nicht, wie die Klägerin meint, um einen "teilweisen Erbverzicht, der auf das damals gegenwärtige Vermögen der Erblasserin beschränkt war". In den Verträgen, die den Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts, auf die sich die Klägerin beruft, zugrunde lagen, wurde ein Erbverzicht gerade nicht ausdrücklich erklärt. Wie das BayObLG in den Gründen ausführt, ist für eine Auslegung nur dann Raum, wenn der Wortlaut der Erklärung nicht eindeutig ist. Vorliegend ist der Wortlaut eindeutig.

Der Erbverzicht als abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft bewirkte, dass die Klägerin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen war, wie wenn sie zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte, und in Folge dessen auch kein Pflichtteilsrecht mehr hat (BGHZ 134, 152, 155; Palandt, BGB, 67. Auflage, §2946 BGB, Rn. 12).

Der Erbverzicht ist auch nicht in Folge einer Anfechtung durch die Klägerin hinfällig. Die Klägerin hat vorgetragen, sie hätte den Erbverzichtsvertrag nicht "in dieser Form" geschlossen, wenn das von ihrer Mutter im Laufe der nächsten Jahrzehnte weiter erworbene Vermögen bereits 1972 vorhanden gewesen wäre. Ob in diesem Vorbringen eine Anfechtungserklärung liegen könnte, ob diese nach dem Tode der Erblasserin überhaupt noch möglich wäre und ob sie rechtzeitig wäre, kann offen b...

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